Abstimmungsmonitoring der österreichischen EU-Abgeordneten (Plenarsitzung 11. bis 14. April 2016)

Die ÖGfE hat das Abstimmungsverhalten aller österreichischen EU-Abgeordneten zu ausgewählten Punkten der Tagesordnung beobachtet. Die untersuchten namentlichen Abstimmungen behandelten die folgenden Themen:

  • Neues Asylsystem und legale Migrationswege
  • Glyphosat: Verlängerung der Zulassung um nur sieben Jahre
  • Verwendung von Fluggastdaten
  • Schutz von Geschäftsgeheimnissen
  • Türkei: weitere Reformen nötig

Neues EU-Asylsystem und legale Migrationswege

Die Mehrheit der Abgeordneten forderte eine grundlegende Überarbeitung der Dublin-III-Verordnung, um den anhaltenden Zustrom von Flüchtlingen nach Europa auf lange Sicht besser verwalten zu können. Ein neues, zentralisiertes und auf Solidarität basierendes EU-Asylsystem solle die Sammlung und Zuteilung der Asylanträge auf EU-Ebene ermöglichen. AsylwerberInnen sollten künftig direkt aus den Hotspots auf die Mitgliedstaaten verteilt werden. Darüber hinaus brauche es sichere und legale Wege in die EU, um das Schlepperwesen zu bekämpfen. Das Plenum plädierte dafür, die bereits beschlossene Umsiedlung von 160.000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien sowie das ebenfalls vereinbarte Neuansiedlungsprogramm so rasch wie möglich umzusetzen.

Glyphosat: Verlängerung der Zulassung um nur sieben Jahre

Glyphosat ist ein Unkrautvernichtungsmittel, das in der EU für die Nutzung in der Landwirtschaft und dem Gartenbau zugelassen ist. Aufgrund seiner laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) potentiell krebserregenden sowie hormonell schädlichen Wirkung bei Menschen, ist sein Einsatz allerdings umstritten. Die Absicht der Kommission, die Zulassung des Pflanzenschutzmittels um 15 Jahre zu verlängern, traf auf Widerstand im Parlament. In einer Entschließung forderte eine knappe Mehrheit der Abgeordneten nun zumindest eine Herabsetzung der Marktzulassung auf nur sieben Jahre. Des Weiteren tritt das Plenum dafür ein, Glyphosat ausschließlich für den professionellen Einsatz zuzulassen.

Verwendung von Fluggastdaten

Das Plenum stimmte der neuen EU-Richtlinie zu, welche die Verwendung von Fluggastdaten zur Bekämpfung von terroristischen Straftaten und schwerer Kriminalität erlaubt. Künftig sind Luftfahrtgesellschaften dazu verpflichtet, ihre Fluggastdaten von Flügen aus der EU in Drittländer und umgekehrt den nationalen Behörden zur Verfügung zu stellen. Die Daten sind dort fünf Jahre lang gespeichert, sie müssen allerdings sechs Monate nach der Übermittlung anonymisiert werden. Die Richtlinie gilt zwar nur für Drittstaatsflüge, die Mitgliedstaaten können sie aber auch bei Flügen innerhalb der EU anwenden, wenn sie die Kommission vorab darüber informieren.

Schutz von Geschäftsgeheimnissen

Das Parlament nahm eine Richtlinie an, die Unternehmen in der EU einen besseren Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse, sprich ihres Know-Hows, garantiert. Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu sicherzustellen, dass Unternehmen, deren Geschäftsgeheimnisse gestohlen wurden, vor Gericht ziehen und Schadenersatz fordern können. Gleichzeitig soll auch der Schutz von JournalistInnen und ihren Quellen sowie Whistleblowern gewährleistet bleiben.

Türkei: weitere Reformen dringend nötig

Das Plenum begrüßte die Tatsache, dass die Türkei so viele Flüchtlinge aufnehme wie kein anderes Land weltweit. Auch bei den Gesprächen über die Wiedervereinigung Zyperns wurden beträchtliche Fortschritte erzielt. Dennoch kritisierten die Abgeordneten, dass es in den letzten zwei Jahren bedenkliche Rückschritte bei der Meinungsfreiheit sowie den Grundrechten gegeben habe. Sie wiesen in diesem Zusammenhang auf die zunehmende Einschüchterung von JournalistInnen sowie die gewaltsame Übernahme türkischer Zeitungen hin. Auch der Friedensprozess mit den KurdInnen müsse dringend wieder aufgenommen werden, um weitere Eskalationen im Südosten der Türkei zu verhindern. Die Türkei ist ein wichtiger strategischer Partner der EU. Eine Zusammenarbeit müsse aber von den Beitrittsverhandlungen entkoppelt werden.

 

Weitere Höhepunkte der Sitzungswoche

Das Parlament nahm die EU-Datenschutzreform an, welche die Datenschutzvorschriften dem digitalen Zeitalter anpassen soll. Im Zentrum stehen die europäischen BürgerInnen, die durch das neue Regelwerk mehr Kontrolle über ihre privaten Informationen erhalten sollen. Neben einem EU-weit einheitlichen und hohen Datenschutzniveau werden auch Mindeststandards für die Datenübertragung und –verarbeitung zu polizeilichen und gerichtlichen Zwecken festgelegt.

In einer Debatte anlässlich der jüngsten Anschläge in Brüssel wurde über mögliche Maßnahmen zur Terrorbekämpfung diskutiert. Das Plenum wiederholte dabei seine Forderung nach einem besseren Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten sowie einer effizienteren nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit.

Die Panama Papers-Enthüllungen über mehr als 200.000 Offshore-Briefkastenfirmen und deren – teils prominente – EigentümerInnen standen ebenfalls auf der Tagesordnung des Parlaments. Die Abgeordneten forderten die Kommission und die Mitgliedstaaten dazu auf, künftig stärker gegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche vorzugehen. Als konkreter Vorschlag wurde u.a. die Einführung einer europaweiten schwarzen Liste für Steueroasen sowie die Bestrafung ihrer NutzerInnen genannt. Darüber hinaus einigten sich die Fraktionsvorsitzenden auf die Einsetzung eines eigenen Untersuchungsausschusses zur Causa.

Die nächste Plenarsitzung findet von 09. bis 12. Mai 2016 in Straßburg statt.