Der Brexit und das neue EU-Budget (Gastkommentar Paul Schmidt, Wiener Zeitung)

Nach dem Brexit könnten dem EU-Budget ab 2020 jährlich bis zu 10 Milliarden Euro fehlen. Wie soll der fehlende Betrag kompensiert werden? Von der Erhöhung der nationalen Beiträge oder der Einführung zusätzlicher Einnahmequellen bis zur Kürzung des gesamten EU-Budgets sowie Einsparungen durch grundlegende Reformen werden die unterschiedlichsten Optionen diskutiert.

Gegen höhere nationale Beiträge argumentieren – verständlicherweise – insbesondere die zehn Nettobeitragszahler, die aufgrund ihres relativen Wohlstandes mehr ins EU-Budget einzahlen, als sie in Form von Förderungen wieder zurückbekommen. Dazu zählt auch Österreich, dessen Nettobeitrag seit dem EU-Beitritt im Durchschnitt pro Jahr eine halbe Milliarde Euro beträgt. Laut Berechnungen des Jacques-Delors-Institut würde er sich – bei gleichbleibendem EU-Budget – um jährlich 400 Millionen Euro erhöhen.

Zu wenig wird jedoch darüber diskutiert, wem dieses Geld eigentlich zugutekommt. Und noch seltener wird erwähnt, dass Österreich auch von indirekten Effekten der europäischen Integration und vom Binnenmarkt stark profitiert. Laut Wifo ist etwa Österreichs Wirtschaft durch den EU-Beitritt um jährlich 0,6 Prozentpunkte zusätzlich gewachsen, 250.000 Jobs wurden geschaffen, die Exporte haben sich auf mehr als 90 Milliarden Euro verdreifacht. Allerdings gibt es nicht nur Integrationsgewinner: Aufgrund der nach wie vor großen Lohndifferenzen innerhalb der EU hat vor allem im Niedriglohnsektor der Wettbewerb stark zugenommen.

Der Brexit bringt jedenfalls Bewegung in die bevorstehende EU-Budgetdebatte. Die Vorschläge der von Ex-EU-Kommissar Mario Monti geleiteten Arbeitsgruppe für Eigenmittel sollten sich gerade die Nettozahler zu Herzen nehmen. Im Abschlussbericht, der Anfang 2017 veröffentlicht wurde, wird eine nachhaltige Strukturreform des EU-Budgets gefordert. Einnahmenseitig setzt man auf steuerbasierte Eigenmittel anstelle der nationalen Beiträge – etwa eine EU-weite CO2-Abgabe bei Flugtickets, eine Finanztransaktionssteuer, eine Vermögenssteuer oder eine gemeinsame Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage. Ausgabenseitig werden eine Umschichtung der Agrarsubventionen und eine Erhöhung der Ausgaben für nachhaltigkeitsorientierte Forschung und Infrastruktur empfohlen. Die Kohäsionsmittel sollen von den reicheren zu den ärmeren EU-Staaten umgeschichtet und stärker an Klima- und Beschäftigungsziele und eine aktive Migrations- und Integrationspolitik geknüpft werden.

Mit rund 1 Prozent des EU-BIP ist das EU-Budget – in Relation zu den nationalen – von Haus aus sehr begrenzt. Rund 94 Prozent der Mittel fließen wieder an die EU-Staaten zurück. Wir sollten die Debatte daher nicht auf die Nettobeiträge reduzieren, sondern ehrlicherweise auch den Nettogewinn der EU-Mitgliedschaft insgesamt thematisieren. Die kommenden Budgetverhandlungen wären jedenfalls eine weitere Chance, Schwerpunkte neu zu setzen. Ein Budget, das diesen Namen auch verdient, könnte der EU ein Stück Problemlösungskompetenz und damit Glaubwürdigkeit in den Augen der Bürger zurückzugeben.