Image Placeholder

Europäische Bürgerinitiative – mehr Mut ist notwendig (Gastkommentar Paul Schmidt, Wiener Zeitung)

Das Interesse der Österreicher ist gesunken. Die Gründe dafür sind auch bei der EU-Kommission und den einzelnen EU-Staaten zu suchen.

Obwohl sich die Österreicher in zahlreichen Umfragen für die Einführung von mehr direktdemokratischer Mitsprache aussprechen, ist ihr Interesse an der Europäischen Bürgerinitiative gesunken. Laut einer aktuellen Eurobarometer-Studie halten es 20 Prozent der Befragten für wahrscheinlich, sich in Zukunft an einer Europäischen Bürgerinitiative zu beteiligen; das sind 9 Prozent weniger als noch vor einem Jahr.

Kein geglückter Start

Das Ergebnis überrascht nicht. Der Start der Europäischen Bürgerinitiative hätte besser funktionieren können. Ein brauchbares Online-System für die Sammlung von Unterschriften wurde von der EU-Kommission verspätet installiert. Unterschiedliche Rechtsordnungen in den einzelnen EU-Staaten kamen erschwerend hinzu. Die Frist für die Sammlung der Unterschriften musste daher bis Herbst verlängert werden. Darüber hinaus hemmten Schnellschüsse und finanzielle Engpässe die dringend notwendige Öffentlichkeitsarbeit. Für kleine NGOs und Einzelpersonen ist insbesondere die länderübergreifende Vernetzung eine ziemliche Herausforderung.
Trotzdem hat sich in den vergangenen zwölf Monaten einiges getan. So wurden insgesamt 14 Bürgerinitiativen von der EU-Kommission zugelassen, 8 weitere haben die erforderlichen Kriterien nicht erfüllt, und 5 haben sich nach der Genehmigung wieder zurückgezogen. Die Themen sind breit gestreut: Abschaffung von Roaming-Gebühren, einheitliche europäische Schulpolitik, bedingungsloses Grundeinkommen, Bewahrung von Medien-Pluralismus, EU-weites Tempolimit von 30 km/h in städtischen Gebieten. Die Initiative mit der Forderung nach Wasser als öffentliche Dienstleistung war bisher am erfolgreichsten. Sie hat binnen sechs Monaten mehr als eine Million Unterstützer gefunden.

Interesse wecken

Das erste Jahr ist auch als Testphase dieses weltweit ersten grenzüberschreitenden direktdemokratischen Instruments zu sehen. Kinderkrankheiten sollten ein Weiterwachsen der direkten Mitbestimmung auf EU-Ebene nicht bremsen. Denn eine etablierte Europäische Bürgerinitiative erhöht das öffentliche Interesse an Sachinformation und stärkt die Legitimation europäischer Entscheidungen. Allein die Existenz direkter Demokratie-Instrumente bewirkt, dass Präferenzen der Bevölkerung stärker berücksichtigt werden.

Großer Spielraum

Frühestens im Herbst wird man ein Resümee über die ersten Bürgerinitiativen ziehen können. Vor allem die Reaktionen der EU-Kommission sind abzuwarten. Von ihnen hängt auch ab, ob sich das Engagement der Bevölkerung letztlich lohnt.

Der Spielraum für eine Weiterentwicklung der direkten Demokratie ist jedenfalls gegeben. Mit etwas politischem Mut könnte sich die EU zu einer verbindlichen Umsetzung von erfolgreichen Bürgerinitiativen durchringen. Das wäre ein notwendiger Schritt, um das Interesse und die aktive Beteiligung an Europäischen Bürgerinitiativen in Österreich zu erhöhen.