Österreich braucht die Uni-Quotenregelung (Gastkommentar Paul Schmidt, Wiener Zeitung)

Das österreichische Gesundheitswesen sieht sich seit Jahren einer ziemlichen Herausforderung gegenüber: Der Bedarf an Ärzten steigt, während die Anzahl nachfolgender Jungmediziner begrenzt ist. Österreich versucht, auf diese Entwicklung mit gezielten Maßnahmen gegenzusteuern. Eine dieser Maßnahmen ist die sogenannte Quotenregelung für Studierende der Humanmedizin. Seit dem Jahr 2006 sind 75 Prozent der verfügbaren Studienplätze für Österreicher, 20 Prozent für EU-Bürger und 5 Prozent für Drittstaatsangehörige vorgesehen.
Die Bevorzugung heimischer Studenten ist aus europäischer Sicht zwar diskriminierend, aber eben in diesem speziellen Fall – zumindest vorübergehend und auch für die Europäische Kommission – nachvollziehbar und gerechtfertigt. Um die Qualität des öffentlichen Gesundheitswesens zu schützen, kann – gemäß einem EuGH-Urteil zu Belgien aus dem Jahr 2010 – unter besonderen Umständen die Personenfreizügigkeit sehr wohl temporär eingeschränkt werden.
Aktuell hat Österreich mit ausreichend Zahlen und Daten die weitere Notwendigkeit der hiesigen Zugangsbeschränkung im Hinblick auf die Versorgung des Gesundheitssystems neuerlich belegt. Ohne diese Staffelung würden hierzulande, gemäß Schätzungen, bis zum Jahr 2030 rund 3500 Ärzte fehlen.
Allein die lange Ausbildungszeit für Humanmedizin lässt jedoch eine Trendwende innerhalb von fünf bis zehn Jahren nur schwer zu. Verschärft wird die Situation Österreichs zudem durch eine relativ geringe Anzahl an Studien- und Ausbildungsplätzen und einer enorm hohen Abwanderungsrate von bis zu 92,5 Prozent der deutschen Absolventen.
Dazu kommt, dass auch in Deutschland bis zum Jahr 2020 ein Ärztemangel von bis zu 45.000 Stellen erwartet wird. Die Regierung in Berlin wäre daher gefordert, wie auch bereits vom EU-Ministerrat empfohlen, mehr in das eigene Bildungssystem zu investieren und zusätzliche Studienplätze zu Hause zur Verfügung zu stellen. Die “kostenfreie Auslagerung” der Medizinausbildung nach Österreich ist nicht nur nicht fair, sondern ist auch als etwaige Gegenmaßnahme für einen drohenden Ärztemangel in Deutschland vollkommend unzureichend. Die günstige Ausweichmöglichkeit nach Österreich ist auch für das deutsche Gesundheitssystem keine Lösung und wird daher zu Recht auch auf europäischer Ebene thematisiert.

Österreich versucht unterdessen, die prekäre Situation zur Sicherung der medizinischen Versorgung durch den Ausbau von Studienplätzen und Ausbildung zu entschärfen. Weitere Maßnahmen wie die Erhöhung der Bezahlung junger Spitalsärzte sowie die schrittweise Reduktion von Arbeitsstunden sollen für angehende Jungärzten die Arbeit in Österreich attraktiver machen. Um dem drohenden Ärztemangel hierzulande zu begegnen, gibt es derzeit anscheinend wenige Alternativen zur Weiterführung der temporären Quotenregelung – eine zeitlich unbegrenzte Quote wäre europapolitisch schwer vertretbar. Etwas mehr nachbarschaftliche Zusammenarbeit in dieser Frage könnte allerdings durchaus helfen.