Europa Club Uni Wien: "Von Schulden- und anderen Krisen – Europa am Scheideweg?"

Mit dem Europa Club Uni möchten wir den Dialog mit der jungen Generation verstärken. Im Rahmen der bundesweiten Veranstaltungsserie finden im laufenden Studienjahr in ausgewählten Vorlesungen an österreichischen Universitäten aktuelle Debatten mit EU-ExpertInnen statt. Der Europa Club Uni wird in Kooperation mit dem KURIER organisiert.

Im vollbesetzten Hörsaal 1 des Neuen Institutsgebäudes (NIG) an der Uni Wien fand am 28.10.2012 unter der Moderation von Dr. Martina Salomon (stv. KURIER-Chefredakteurin) die erste Veranstaltung im Rahmen unserer neuen Diskussionsreihe Europa Club Uni statt.

„Von Schulden- und anderen Krisen –Europa am Scheideweg?“

Hauptaussagen

SC Mag. Thomas Wieser (BM für Finanzen):

  • Bei der gegenwärtigen Krise handelt es sich nicht in erster Linie um eine Krise des Euro und Griechenlands. Wir haben es mit einem tiefer greifenden Phänomen, einer systemischen Krise, zu tun, die aus einem übermäßigen Anwachsen des Schuldenbergs in den Industriestaaten entstanden ist.
  • Griechenland hat bereits jetzt Konsolidierungsschritte in der Höhe von 8 Prozent des BIP erfolgreich umgesetzt. Ohne Maßnahmen würde die Verschuldung auf 170 Prozent des BIP ansteigen, mit dem beschlossenen Schuldenschnitt soll die Verschuldung bis 2020 auf 120 Prozent des BIP sinken.
  • Die erforderliche Rekapitalisierung der Banken (70 – 90 europäische Banken betroffen) muss zuerst auf den Märkten geschehen. Die grundsätzliche Herausforderung liegt darin, eine budgetäre Konsolidierung mit Wirtschaftswachstum zu kombinieren. Eine Zweiteilung der Euro-Zone ist keine Lösung, ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten ist wahrscheinlich, die Einführung einer europaweiten Finanztransaktionssteuer wird wohl auf ein englisches Veto stoßen.

Univ.-Prof. Dr. Michael Landesmann (WIIW):

  • Europa befindet sich streng genommen seit 20-25 Jahren in einer Wachstumskrise (siehe auch Nichterreichen der Lissabon-Ziele), die größten Wachstumsraten wurden früher vor allem in Portugal, Spanien und Griechenland generiert, später dann mit den neuen Demokratien Mittel- und Osteuropas. Das Wachstum in den großen Industriestaaten war demgegenüber schwächer. Man darf bei der gegenwärtigen Diskussion nicht vergessen, dass auch Österreich im Jahr 2008 durch das starke Ostengagement heimischer Banken an einer großen Krise nur knapp vorbeigeschrammt ist. Hier war die Mitgliedschaft in der Währungsunion ein entscheidender Vorteil.
  • Die aktuellen Entscheidungen vom Gipfel bilden einen wichtigen Wurf in Richtung einer gemeinsamen Wirtschafts- und Währungspolitik. Allerdings ist der Übergang zu einer stärkeren Koordinierung ein langer Prozess, da die Abgabe von nationaler Souveränität in den Köpfen der Menschen noch nicht verankert ist.

Dr. Marcelo Jenny ( Institut für Staatswissenschaft):

  • Die Krise hat sich von einer Bankenkrise über eine Eurokrise zu einer Krise der EU entwickelt. Wie schon die Diskussion um den Verfassungsvertrag bzw. den Vertrag von Lissabon gezeigt hat, haben bestimmte Länder kein Interesse an einer weiteren Vertiefung der Integration. Zusätzlich befinden sich in einigen Regierungen europakritische Parteien. Dies ist insofern ein Problem, weil die meisten Lösungsansätze gerade auf eine solche Vertiefung der Zusammenarbeit abzielen.  Die aktuelle Situation macht deutlich, welchen Stellenwert Deutschland bei der Krisenbewältigung einnimmt.

Mag. Paul Schmidt (ÖGfE):

  • Globale Herausforderungen können nur mit europäischen Antworten gelöst werden. Gleichzeitig steht die Bevölkerung jedoch der Abgabe von Souveränitätsrechten an EU-Institutionen kritisch gegenüber.
  • Gerade in Zeiten von Wirtschaftskrisen ist ein kleines Land wie Österreich in einer starken Gemeinschaft besser geschützt. Obwohl Österreichs Rolle als Nettozahler immer wieder von Kritikern betont wird, muss man entgegnen, dass gerade Österreich durch die EU-Mitgliedschaft besonders profitiert. In Österreich fehlt es an Information und Dialog über die Europäische Integration. Die Politik muss auch in dieser Hinsicht Handlungsfähigkeit beweisen.

Mit dem Europa Club Uni möchten wir den Dialog mit der jungen Generation verstärken. Im Rahmen der neuen, bundesweiten Veranstaltungsserie finden im laufenden Studienjahr in ausgewählten Vorlesungen an Universitäten und FHs aktuelle Debatten mit EU-ExpertInnen statt. Der Europa Club Uni wird in Kooperation mit dem KURIER organisiert.