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Krisenstimmung? Höchste Zeit für offensive EU-Kommunikation (Gastkommentar Paul Schmidt, Wiener Zeitung)

In Krisenzeiten erwachen EU-Debatten in Österreich wieder so richtig zum Leben.

Seit Europa angeblich am Abgrund steht, hat auch die EU-Berichterstattung an Intensität zugelegt – Analysen übertreffen einander nicht selten bei Übertreibungen. Wenn schon der Maya-Kalender versagt, dann sollen doch zumindest die Eurozone zerbrechen und die Europäische Union zerbröseln.

Desinteresse an der EU ist Schnee von gestern. Europa emotionalisiert und berührt heute wie nie zuvor. EU-Debatten haben von der Krise profitiert. Der Wettbewerb um die erfolgreichere Krisenbewältigung führt zu einer öffentlichen Auseinandersetzung über Vor- und Nachteile sowie die Weiterentwicklung der EU. Ohne europäische Themenführerschaft ist keine Wahl mehr zu gewinnen. Für die Meinungsbildung in Sachen EU sind das gute Aussichten.

Die Menschen wollen ehrliche Antworten

Es zahlt sich aus, Klartext zu reden – gerade vor weitreichenden Entscheidungen. Die Menschen wollen ehrliche Antworten. Wohin führt die Integrationsreise? Welche Auswirkungen haben die Entwicklungen in Südeuropa? Gefragt sind europapolitische Sacharbeit und Substanz, nicht Polemik. Verkürzte Diskussionen um Nettozahler und -empfänger sind kontraproduktiv. Noch fehlt jene breit angelegte Kommunikation, die erklärt, warum Österreich vom steigenden Wohlstand anderer EU-Länder profitiert und dass auch heimische Regionen Nutznießer der Budgetrückflüsse sind. Jeder, der hier kleinkariert denkt, müsste konsequenterweise auch den Finanzausgleich in Österreich in Frage stellen.

Gefragt ist ein fairer Lastenausgleich zwischen den reichsten und ärmsten EU-Ländern. Mit dem klaren Ziel, mehr Wohlstand für alle zu schaffen.

Gefragt sind gemeinsame Verhandlungspositionen und nachhaltige Strategien statt kurzfristiger medialer Punktgewinne, die höchstens zur Verunsicherung beitragen. Gefragt ist Leadership, um Europa gesellschafts- und wirtschaftspolitisch weiterzuentwickeln.

Unter diesen Prämissen ist auch die Bevölkerung bereit dazu beizutragen, der sozialen Verarmung in EUROpa entgegenzutreten. Die wirtschaftliche Verflechtung in der EU ist Voraussetzung für unseren Wohlstand, das ist doch leicht erklärt. Auch kann es niemanden kaltlassen, wenn einer ganzen Generation die Lebenschancen genommen werden und in einigen EU-Ländern jeder Vierte arbeitslos ist. Da muss man als reiches Land doch helfen – noch aktiver, als wir dies gegenwärtig tun.

Die Krise als Chance für die Kommunikation

Die Krise kann für das EU-Interesse von nachhaltiger Wirkung sein. Die EU muss aber demokratischer, transparenter und lebendiger werden und Entscheidungsabläufe verstärkt erklären. Ihren Mitgliedern hat sie etliche Vorteile gebracht. Infolge eines zu hohen Integrationstempos stehen wir aber auch vor Herausforderungen und Problemen. Über diese in der EU-Kommunikation hinwegzusehen, hilft uns nicht weiter – Ehrlichkeit schon. Das ist keine Unmöglichkeit, keine Zumutung, sondern eine riesengroße Chance.