Image Placeholder

Wein predigen, Wasser trinken? (Gastkommentar Paul Schmidt, Wiener Zeitung)

Ohne die Abschaffung der grenzüberschreitenden Telefongebühren droht der Europäischen Union ein weiteres Imageproblem.

2012 hatte alles so gut begonnen. Vor drei Jahren war auf einmal nicht nur das Reisen schier grenzenlos, sondern auch das Telefonieren nach Hause innerhalb der Europäischen Union wurde deutlich billiger. Noch unter EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso wurde der Weg zum Abbau der Roaminggebühren geebnet. Ein wichtiger Integrationsschritt. EU-Kommission und EU-Parlament waren sich dabei einig, dass von 2012 bis 2015 sämtliche Roaminggebühren schrittweise gesenkt und ab 2016 gänzlich abgeschafft werden sollten.

Die EU-Kommission wollte den Kostenfaktor Kommunikation reduzieren, um die Entwicklung des europäischen Binnenmarkts zu fördern. Das EU-Parlament sah darin zu Recht auch einen Dienst an der europäischen Bevölkerung, einen für jeden Einzelnen direkt spürbaren Vorteil. Im EU-Ministerrat wurde die Gebührensenkung zwar unterstützt, eine gänzliche Abschaffung der grenzüberschreitenden Telefongebühren hingegen differenzierter gesehen. Das Ende der Roaminggebühren, für viele ein – aufgrund der hohen Kosten auch negativ besetzter – Begriff, wurde daraufhin landauf landab rasch als ein weiterer Meilenstein der europäischen Integration gefeiert.

Aber haben wir uns darüber etwa zu früh gefreut? Für die Abschaffung der Roaminggebühren im kommenden Jahr müsste noch heuer – im Rahmen des digitalen Binnenmarktes – die entsprechende EU-Verordnung beschlossen werden. Die Telekommunikationsbranche jedoch droht – anscheinend erfolgreich -, ihre potenziellen Verluste über nationale Tariferhöhungen kompensieren zu wollen. Für Personen, die relativ wenig bis keine Roamingkosten haben, könnte dies eine saftige Erhöhung ihrer Telefonrechnung bedeuten, wird von Industrieseite argumentiert.

Vor diesem Hintergrund diskutieren die EU-Mitgliedstaaten derzeit eine Kompromissvariante, die nun lediglich eine Teilabschaffung der Roamingkosten vorsieht. Die Begründung: Für den privaten Gebrauch sei eine weniger drastische Umsetzung ausreichend. 50 Freiminuten, 50 SMS und 100 Megabyte Datenvolumen pro Jahr zu Urlaubszwecken und kurzen Auslandstelefonaten, danach würden die Tarifvereinbarungen aus dem Jahr 2014 greifen. Man wolle den Telekommunikationsunternehmen, die Milliarden in den Ausbau der Infrastruktur investieren, damit entgegenkommen, heißt es. Die Kostenersparnis beziehungsweise Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen würde dabei aber anscheinend wenig berücksichtigt.

Was schon frühzeitig als Erfolgsstory der EU-Integration verkauft wurde, könnte also demnächst noch zu einem veritablen Bumerang für das krisengeschüttelte Image der Europäischen Union werden. Dann nämlich, wenn sich die für die Telekommunikation zuständigen Minister tatsächlich der kompletten Abschaffung der Roaminggebühren ab 2016 entgegenstellen. Dabei wäre ein Scheitern dieses Vorhabens für viele ein Schlag ins Gesicht. Ein Zurückrudern in den europäischen Hauptstädten würde nicht nur jahrelange europapolitische Arbeit torpedieren und die Öffentlichkeit irritieren, sondern auch die EU-Gegner – gerade im europäischen Superwahljahr 2015 – mit zusätzlicher Munition versorgen.