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Russland-Beziehungen neu aufsetzen (Gastkommentar Paul Schmidt, Kurier)

Ende Juni entscheiden die EU-Staats- und Regierungschefs über eine Verlängerung der Russland-Sanktionen. Vor allem die Wirksamkeit der ökonomischen Maßnahmen wurde auch hierzulande immer wieder infrage gestellt. Zeit für eine Bilanz:
Die EU-Wirtschaftssanktionen wurden als bis jetzt letzter Schritt eingeleitet, um auf das völkerrechtswidrige Vorgehen Russlands in der Ukraine zu reagieren. Sie umfassen etwa eine Einschränkung des russischen Zugangs zum EU-Kapitalmarkt, ein Embargo zu Ein- und Ausfuhr von Waffen sowie den Export bestimmter energiebezogener Ausrüstung. Moskau antwortete mit Gegenmaßnahmen, die vornehmlich den Import von bestimmten Lebensmitteln und landwirtschaftlichen Erzeugnissen betreffen.

War Russland im Jahr 2014 noch das elftwichtigste Exportland für Österreich, lag es im Jahr 2015 auf Rang 15. Laut Wirtschaftskammer sind rund 50.000 heimische Arbeitsplätze direkt oder indirekt vom Handel mit Russland abhängig. Österreichs Warenausfuhren nach Russland sind im Zeitraum 2014 bis 2015 um 38 Prozentpunkte zurückgegangen. Auch die Agrarexporte haben sich reduziert, ihr Anteil an den heimischen Gesamtausfuhren ist mit 1,5 Prozent jedoch gering. Aufgrund alternativer Absatzmärkte entwickelte sich jedoch der Gesamtexport – einschließlich des Agrarbereichs – sowohl auf EU-Ebene wie in Österreich positiv. Im Tourismusbereich sind die Übernachtungen aus Russland im Zeitraum 2013 bis 2015 um 39,2 Prozentpunkte zurückgegangen.

Diverse Gründe

Für den Handelseinbruch mit Russland sind jedoch nicht ausschließlich die Sanktionen verantwortlich, sondern insbesondere der niedrige Ölpreis und der Rubel-Verfall. Der schwache Rubel verschärft die Kapitalflucht. Infolge der Finanzsanktionen fehlt Russland das Geld für Investitionen, Innovationen werden verzögert, internationale Investoren bleiben aus. Gemäß Weltbank fiel das russische BIP im Jahr 2015 um 3,8 für heuer wird ein Minus von 0,7 Prozentpunkten prognostiziert. Trotzdem gibt es keinen politischen Stimmungsumschwung in Russland. Ganz im Gegenteil.
Die Dauer der Sanktionen wurde von der EU an die Umsetzung des Minsker Abkommens gekoppelt. Eine Befriedung und Wiederherstellung der Souveränität Kiews über die Ostukraine liegen jedoch in weiter Ferne …
Die Annexion der Krim hängt nach wie vor wie ein Damoklesschwert über den Beziehungen zwischen Russland und der EU. Andererseits ist Russland viertwichtigster Handelspartner der EU und drängt geopolitisch verstärkt auf die Weltbühne zurück. Die EU wäre gut beraten, an ihren Prinzipien festzuhalten und völkerrechtswidrigen Handlungen auch eine entschlossene Haltung entgegenzusetzen.
Noch stärker als bisher sollte sie jedoch auf Dialog setzen, um zur schrittweisen Aufweichung verhärteter Fronten beizutragen.