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Ein positiver Trump-Effekt für die EU? (Gastkommentar Paul Schmidt, Wiener Zeitung)

Über die ersten Wochen der US-Präsidentschaft von Donald Trump kann man sich aus europäischer Sicht wundern. Oder aber man versteht sie als Aufforderung, Europa einem notwendigen Reality Check zu unterziehen, mit dem Ziel, die Handlungsfähigkeit der Union und den Zusammenhalt unter den EU-Mitgliedern zu verbessern.

Hier geht es um mehr als schlichte Rhetorik. Verbessern heißt auch verändern und weiterentwickeln. Einfach zuzusehen, wie sich die Welt weiterdreht, wäre hingegen grob fahrlässig. Dafür sind die gegenwärtigen politischen Konstellationen zu unsicher und heikel. Weder die neue US-Administration noch Russland haben ein gesteigertes Interesse an einem geeinten Europa, ganz im Gegenteil. Die Ukraine und Syrien sind militärische Hotspots, in der Türkei herrscht Ausnahmezustand, der Brexit wird gerade Realität. Wann, wenn nicht jetzt, sollten wir uns von anderen globalen Akteuren emanzipieren?

Die Union ist jedoch nur dann international glaubwürdig, wenn die EU-Länder auch nach innen geeint sind und als Team funktionieren. Gerade deshalb war die viel beachtete Rede des österreichischen Bundespräsidenten im EU-Parlament weit mehr als nur Symbolik. Sie ist auch ein Auftrag für unser Land, sich europapolitisch besser aufzustellen.

In Österreich fokussiert das neue Regierungsprogramm jedoch primär auf innenpolitische Herausforderungen. Der eigenen europäischen Rolle und dem globalen Kontext wird wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Im Detail wird über die Regulierung der Arbeitnehmerfreizügigkeit und Inländerbevorzugung diskutiert, das Mautmodell bei den deutschen Nachbarn angeprangert oder als Vorbild für die Idee eines Beschäftigungsbonus eingesetzt, die Indexierung der Familienbeihilfe für europäischen Nachwuchs, der nicht in Österreich lebt, überlegt und so mancher Freihandelsansatz auf den Kopf gestellt. Alles durchaus berechtigt, aber strategisch nicht ausreichend und zu defensiv.

Österreich ist eben nicht bloß ein unbeteiligter Zuschauer, der von der Seitenoutlinie ein Match um Europa kommentiert und von diesem, vermeintlich fernen, Integrationsprojekt endlich Ergebnisse – etwa beim Management der gemeinsamen Außengrenze oder im Asyl- und Migrationsbereich – einfordern kann. Wir sind Kerneuropa und tragen damit europäische Verantwortung. Daher wären wir auch gut beraten, unsererseits dazu beizutragen, gemeinsamen europäischen Lösungen nachhaltig zum Durchbruch zu verhelfen. Die Debatte über Europas Neupositionierung müssen wir offensiv mitgestalten und uns insbesondere den wirklich großen Themen widmen: Wachstum und Beschäftigung, Sicherheit, Europas künftige Beziehung zu Russland und den USA, EU-Positionierung zum britischen EU-Ausstieg, Populismus und Protektionismus, Verwerfungen im Nahen Osten.

Verteidigen alleine reicht nicht. Da passt es auch nicht, dass es egal sein soll, ob während der österreichischen EU-Präsidentschaft im Land Wahlen geschlagen werden. Die EU-Integration ist schon lange keine Nebensache mehr, sondern längst Champions League und damit Haupt- und Chefsache.