Die soziale Gleichbehandlung von EU-BürgerInnen – ein Eckpfeiler eines gemeinsamen Europas

Handlungsempfehlungen

  1. EU-BürgerInnen müssen in Österreich denselben Zugang zu Sozialleistungen haben wie ÖsterreicherInnen im EU-Ausland.
  2. Den Herausforderungen für den Sozialstaat und dem unfairen Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten muss mit der Weiterentwicklung sozialer Mindeststandards auf EU-Ebene begegnet werden. Nicht mit einem Kürzen von Sozialleistungen.
  3. Bei der aktuellen Neuverhandlung des EU-Asylrechts muss sichergestellt werden, dass Asylberechtigte im Hinblick auf Sozialhilfeleistungen weiterhin StaatsbürgerInnen gleichgestellt werden. Die Eingliederung in den Arbeitsmarkt kann nur gelingen, wenn die Existenz gesichert ist.

Zusammenfassung

Die soziale Gleichbehandlung von erwerbstätigen EU-BürgerInnen ist ein Eckpfeiler Europas. Wer daran rüttelt, rüttelt an Europa. EU-BürgerInnen haben in Österreich Zugang zu Sozialversicherungsleistungen und unter bestimmten engen Voraussetzungen auch zu Sozialhilfeleistungen. Wie alle anderen LeistungsbezieherInnen müssen sie aktiv bestrebt sein, selbst ein existenzsicherndes Einkommen zu erwirtschaften. Anspruch auf Sozialhilfe haben EU-BürgerInnen erst nach fünf Jahren; ein früherer Anspruch ist aufgrund der Freizügigkeitsregeln nur bei Vorliegen einer Erwerbstätigkeit möglich. Die Debatte um Sozialleistungen für EU-BürgerInnen wird freilich vor dem Hintergrund des stark ausgeprägten Lohngefälles innerhalb der EU geführt. Den Herausforderungen für den Sozialstaat muss jedoch insbesondere mit aktiver Wirtschaftspolitik und mit der Weiterentwicklung sozialer Mindeststandards auf EU-Ebene begegnet werden.

Im Hinblick auf Drittstaatsangehörige ist eine „Zuwanderung, um Sozialhilfeleistungen zu erhalten“ aus rechtlichen Gründen nicht möglich.

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Die soziale Gleichbehandlung von EU-BürgerInnen – ein Eckpfeiler eines gemeinsamen Europas[1]

In Österreich leben rund 1,3 Millionen ausländische Staatsangehörige (15,3% der Gesamtbevölkerung). Die mit Abstand größte Gruppe sind Deutsche (knapp 182.000 Personen), gefolgt von SerbInnen (rund 118.000 Personen) und TürkInnen (knapp 117.000 Personen). Auf den Plätzen vier bis zehn liegen Bosnien und Herzegowina, Rumänien, Kroatien, Ungarn, Polen, Afghanistan, Slowakei (in dieser Reihenfolge).[2]

Im Zusammenhang mit dem Thema Zuwanderung nach Österreich prägen vor allem in Wahlkampfzeiten (aber nicht nur dann) Schlagwörter wie „Sozialtourismus“ und „Zuwanderung in den Sozialstaat“ die Medienlandschaft. Grund genug einigen Fragen nachzugehen: Unter welchen Voraussetzungen haben MigrantInnen Anspruch auf Sozialleistungen in Österreich? Gibt es gesetzliche Lücken, die Missbrauch zulassen? Welche Rolle spielen europarechtliche Bestimmungen?

Insbesondere Arbeitslosenleistungen (Arbeitslosengeld, Notstandshilfe) und Sozialhilfe (bedarfsorientierte Mindestsicherung) stehen meist im Mittelpunkt der Debatte. Arbeitslosenleistungen kann grundsätzlich nur beziehen, wer zuvor Versicherungsbeiträge eingezahlt hat, die bedarfsorientierte Mindestsicherung, das „letzte soziale Auffangnetz“, wird hingegen durch Steuereinnahmen finanziert (trotz des starken Anstiegs betragen die Aufwendungen für die Mindestsicherung gemessen an den gesamten Sozialausgaben weiterhin weniger als 1%, 2016: 0,9%; 2012: 0,6%[3]). Die Höhe der Arbeitslosenleistungen hängt vom vorangegangenen Erwerbseinkommen ab, bei der bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) gibt es gesetzlich festgesetzte Beträge, die von Bundesland zu Bundesland variieren. Darüber hinaus wird auch die Familienbeihilfe immer wieder diskutiert.

EU-BürgerInnen

EU-BürgerInnen[4] haben das Recht, den Arbeitsplatz innerhalb der EU frei zu wählen (Arbeitnehmerfreizügigkeit). Sie haben in jedem anderen Mitgliedstaat den gleichen Zugang zu Beschäftigung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats. Geht der Job verloren, so besteht Anspruch auf Arbeitslosenleistungen in Österreich nur dann, wenn ausreichende Beschäftigungszeiten nachgewiesen werden können. Aufgrund der rechtlichen Gleichstellung von EU-BürgerInnen mit ÖsterreicherInnen spielt es infolge der europarechtlichen Zusammenrechnungsregel (sogenannte „1-Tages-Regel“, weil die Zusammenrechnung bereits nach einem Tag Beschäftigung erfolgt) keine Rolle, ob die Beschäftigung in Österreich oder in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübt wurde. Dies hat zu Kritik geführt, weil Arbeitslosenleistungen bezogen werden können, obwohl in Österreich keine Versicherungsbeiträge eingezahlt wurden. Im Gegenzug kommen in anderen Mitgliedstaaten ÖsterreicherInnen aber ebenso in den Genuss dieser Regelung. Das Missbrauchspotenzial ist als außerordentlich gering einzustufen. Ein Beispiel: Zum Stichtag 31.10.2016 bezogen in Österreich 2.914 Personen (darunter 2.095 österreichische StaatsbürgerInnen) Arbeitslosenleistungen aufgrund der Zusammenrechnung mit Versicherungszeiten aus einem anderen Mitgliedstaat, davon haben 202 Personen (darunter 86 österreichische StaatsbürgerInnen) weniger als sieben Tage in Österreich gearbeitet. Ähnliche Ergebnisse zeigen Auswertungen an anderen Stichtagen.[5] Nach einem Vorschlag der Kommission[6] sollen in Zukunft Versicherungszeiten aus anderen Mitgliedstaaten nur dan
n berücksichtigt werden, wenn zusätzlich mindestens drei Monate Beschäftigung in jenem Mitgliedstaat absolviert werden, in dem die Arbeitslosenleistung beantragt wird. Ob dieser Vorschlag jedoch umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Österreich könnte eine solche Änderung jedenfalls nicht im Alleingang beschließen.

Nach einem Vorschlag der Kommission sollen in Zukunft Versicherungszeiten aus anderen Mitgliedstaaten nur dann berücksichtigt werden, wenn zusätzlich mindestens drei Monate Beschäftigung in jenem Mitgliedstaat absolviert werden, in dem die Arbeitslosenleistung beantragt wird.

Auch über die Arbeitnehmerfreizügigkeit hinaus haben EU-BürgerInnen das Recht, sich in anderen Mitgliedstaaten aufzuhalten und sich frei zu bewegen. Wie immer wieder richtiger Weise betont wird, ist dieses Recht aber keineswegs gleichbedeutend mit einem sofortigen Zugang zu Sozialleistungen; dies gilt insbesondere für die bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS). Bei den BMS-BezieherInnen gibt es zwei Gruppen: Personen, die aufgrund eines nicht ausreichenden Einkommens zusätzlich BMS beziehen (sogenannte „Aufstocker“) und Personen, die kein sonstiges Einkommen zur Verfügung haben. Beide Gruppen müssen dem Arbeitsmarktservice zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen. Grundsätzlich können EU-BürgerInnen erst nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt in Österreich BMS beantragen, keine Wartefrist ist hingegen für „Aufstocker“ vorgesehen. Da EU-BürgerInnen ohne Einschränkung in einem anderen Mitgliedstaat eine Arbeit aufnehmen dürfen, wird auch BMS gewährt, wenn das Erwerbseinkommen (oder eine Arbeitslosenleistung nach Jobverlust) nicht ausreichend ist.

An dieser Stelle lohnt es sich, einen kritischen Blick auf die Zahlen zu werfen: Österreichweit lebt etwa die Hälfte der BMS-BezieherInnen in Wien.[7] Im Jahr 2016 gab es in Wien rund 195.000 BMS-BezieherInnen,[8] davon waren rund 9% (rund 18.000 Personen) EU-BürgerInnen.[9] Weniger als ein Drittel der EU-BürgerInnen (rund 5.000 Personen) stockt mit der BMS ein niedriges Erwerbseinkommen auf.[10] Hier kann keineswegs eine „Zuwanderung ins Sozialsystem“ abgelesen werden. Ob die BMS nämlich zusätzlich zum ersten Job in Österreich oder erst nach längerer Aufenthaltshaltdauer (und nach möglicherweise mehreren Jobs) in Österreich bezogen wird, weist die Statistik nicht aus. Es ist nicht davon auszugehen, dass 5.000 EU-BürgerInnen zusätzlich zum ersten Job in Österreich BMS beziehen. Das Missbrauchspotenzial ist somit als gering einzustufen.

Auch die Familienbeihilfe steht immer wieder in Diskussion. Europarechtlich ist jener Mitgliedstaat, in dem ein Elternteil einer Beschäftigung nachgeht, für die Auszahlung von Familienleistungen (bzw. Differenzzahlungen, wenn die Elternteile in unterschiedlichen Mitgliedstaaten leben) zuständig, und zwar auch für Kinder, die in einem anderen Mitgliedstaat leben. 2015 zahlte Österreich für rund 32.000 im EU-Ausland lebende Kinder die Familienbeihilfe (bzw. Differenzzahlung) aus.[11] Die Anzahl der in Österreich lebenden Kinder, die Familienleistungen (bzw. Differenzzahlungen) von anderen Mitgliedstaaten erhält, ist nicht bekannt. Aufgrund des Grundsatzes der rechtlichen Gleichstellung von EU-BürgerInnen mit ÖsterreicherInnen gebührt die Familienbeihilfe für alle Kinder in derselben Höhe. Diese Regelung wird mit dem Hinweis auf die unterschiedlichen Lebenserhaltungskosten in den unterschiedlichen Mitgliedstaaten immer wieder in Frage gestellt. Der Europäische Gerichtshof hat dazu entschieden, dass eine Anpassung des Leistungsniveaus an den Wohnort des Kindes mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vereinbar ist.[12] Ein Alleingang Österreichs wäre daher auch hier nicht möglich.

Hintergrund der Debatte um Sozialleistungen für EU-BürgerInnen ist freilich das stark ausgeprägte Lohngefälle innerhalb der EU.

Hintergrund der Debatte um Sozialleistungen für EU-BürgerInnen ist freilich das stark ausgeprägte Lohngefälle innerhalb der EU. In diesem Zusammenhang ist die zum Stillstand gekommene Konvergenz zwischen den Mitgliedstaaten, die 2004/2007/2013 beigetreten sind, und den EU15 zu nennen. Es sind aber nicht „die Ausländer aus Osteuropa“ das Problem, sondern ein zu langsamer Aufholprozess der osteuropäischen Länder.[13] Anstatt europäische Errungenschaften in Frage zu stellen, fordern die Sozialpartner als Antwort auf die Herausforderungen für den Sozialstaat die Weiterentwicklung von Mindeststandards:

„Wenn der Binnenmarkt ein Instrument zur Verbesserung der Lebensqualität in Europa sein soll, brauchen wir europäische Mindeststandards in vielen Bereichen, die im Sinne der im Vertrag von Lissabon enthaltenen Zielbestimmung „sozialer Fortschritt“ periodisch überprüft und weiterentwickelt werden müssen. Ziel muss es sein, unfairen Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten zu beenden, um den Sozialstaat nicht zu gefährden.“[14]

Drittstaatsangehörige

Drittstaatsangehörige sind Personen, die weder EU-BürgerInnen (bzw EWR-BürgerInnen und SchweizerInnen) sind noch die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen.

Diese Personen kommen aus sehr unterschiedlichen Gründen nach Österreich; die wesentlichsten Gründe sind Flucht vor Verfolgung, Arbeit, Familienzusammenführung und Ausbildung.

Personen, die aus Fluchtgründen nach Österreich gekommen sind, stellen in aller Regel in Österreich einen Asylantrag. Solange über diesen Antrag nicht entschieden ist, erhalten die AsylwerberInnen die sogenannte Grundversorgung: Wohnen sie in einer betreuten Unterkunft, erhalten sie 40 EUR „Taschengeld“ pro Monat. Wenn AsylwerberInnen selbständig wohnen, erhalten alleinstehende Personen 365 EUR pro Monat.[15] Dazu kommt, dass AsylwerberInnen nur sehr eingeschränkt (bzw in der Praxis de facto gar nicht) erwerbstätig sein dürfen und daher keine Möglichkeit haben, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen.

Werden diese Personen als „Asylberechtigte“ (=Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention) anerkannt, haben sie sowohl gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention als auch nach EU-Recht Anspruch auf Gleichbehandlung mit österreichischen StaatsbürgerInnen und damit Anspruch auf BMS. In Oberösterreich und Niederösterreich gibt es für Flüchtlinge unmittelbar (OÖ) bzw. mittelbar (NÖ) deutlich geringere Sätze für den Bezug von BMS (unserer Meinung nach europa- und völkerrechtswidrig).

Somit können Flüchtlinge nach Anerkennung in Österreich Sozialhilfeleistungen beziehen. Es ist aber entscheidend zu erwähnen, dass die Zuwanderung aus Gründen der Verfolgung bzw der Schutzgewährung und nicht zum Bezug von Sozialleistungen erfolgte: In diesen Fällen wurde bereits von der Asylbehörde oder dem Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass diese Personen Anspruch auf Schutz haben.

Wenn die geflüchteten Personen zwar kein Asyl, aber sogenannten „subsidiären Schutz“ erhalten (das ist dann der Fall, wenn zwar keine Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention  vorliegt aber insbesondere aufgrund eines (Bürger)Kriegs oder der Gefahr der Todesstrafe oder einer unmenschlichen Behandlung eine Rückkehr nicht möglich ist) ist aufgrund EU Recht grundsätzlich ebenfalls Gleichbehandlung mit österreichischen StaatsbürgerInnen gefordert, die aber auf „Kernleistungen“ beschränkt werden kann. Die Auslegung dieser Bestimmung ist umstritten: Mehrere Bundesländer gewähren Subsidiär Schutzberechtigten als „Kernleistung“ lediglich Grundversorgung.

Sowohl Asylberechtigte als auch Subsidiär Schutzberechtigte dürfen unmittelbar nach Zuerkennung des jeweiligen St
atus erwerbstätig sein. Wenn sie arbeitsfähig sind, müssen sie sich auch beim Arbeitsmarktservice arbeitsuchend melden, um einen Anspruch auf Mindestsicherung zu haben.

Aktuell wird das EU-Asylrecht neu verhandelt („Dublin-IV-VO“, AufnahmeRL, AsylstatusRL und VerfahrensRL). Es muss sichergestellt werden, dass Asylberechtigte weiterhin wie bisher Sozialhilfeleistungen wie StaatsbürgerInnen erhalten, da die Eingliederung in den Arbeitsmarkt nur gelingen kann, wenn die Existenz gesichert ist.

Glücklicherweise ist die Mehrzahl der Menschen, die als Drittstaatsangehörige in Österreich leben, nicht aus Fluchtgründen nach Österreich gekommen, sondern verfügt über einen Aufenthaltstitel aus anderen Gründen (insbesondere „Rot-Weiß-Rot – Karte plus, Daueraufenthalt – EU).[16] Ein Aufenthaltstitel wird nur erteilt, wenn finanzielle Mittel in Höhe der „Ausgleichszulagenrichtsätze“ vorhanden sind. Der Bezug von Sozialhilfeleistungen ist unzulässig. Eine vierköpfige Familie zB muss (bei 600 EUR Mietkosten) EUR 1.924,45 pro Monat nachweisen, um jeweils Aufenthaltstitel erhalten zu können.

Bedarfsorientierte Mindestsicherung können Drittstaatsangehörige lediglich dann erhalten, wenn sie nach mindestens fünfjähriger Niederlassung über einen unbefristeten Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügen.

BMS können Drittstaatsangehörige lediglich dann erhalten, wenn sie nach mindestens fünfjähriger Niederlassung über einen unbefristeten Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügen;[17] Voraussetzungen sind ua gute Deutschkenntnisse und bei Erteilung dieses Aufenthaltstitels ausreichende Unterhaltsmittel. Die Möglichkeit, dass diese Personen BMS beziehen können, ist aus europarechtlichen Gründen auch zwingend nötig.

In der Praxis wird auch Drittstaatsangehörigen, die schon länger als fünf Jahre in Österreich niedergelassen sind, aber über keinen unbefristeten Aufenthaltstitel “Daueraufenthalt – EU“ verfügen keine BMS gewährt. Das gilt auch für Personen, die aus Gründen der Menschenrechtskonvention keinesfalls aus Österreich ausgewiesen werden können („Bleiberecht“).

Eine „Zuwanderung, um Sozialhilfeleistungen zu erhalten“ ist für Drittstaatsangehörige aus rechtlichen Gründen unmöglich. Im Gegenteil erhalten nach den jeweilgen Mindestsicherungsgesetzen der Bundesländer[18] viele Personen, die schon jahrelang in Österreich leben, keine Mindestsicherung.

Zusammenfassung

Die soziale Gleichbehandlung von erwerbstätigen EU-BürgerInnen ist ein Eckpfeiler Europas. Wer daran rüttelt, rüttelt an Europa. EU-BürgerInnen haben in Österreich Zugang zu Sozialversicherungsleistungen und unter bestimmten engen Voraussetzungen auch zu Sozialhilfeleistungen. Wie alle anderen LeistungsbezieherInnen müssen sie aktiv bestrebt sein, selbst ein existenzsicherndes Einkommen zu erwirtschaften. Anspruch auf Sozialhilfe haben EU-BürgerInnen erst nach fünf Jahren; ein früherer Anspruch ist aufgrund der Freizügigkeitsregeln bei Vorliegen einer Erwerbstätigkeit möglich. Die Debatte um Sozialleistungen für EU-BürgerInnen wird freilich vor dem Hintergrund des stark ausgeprägten Lohngefälles innerhalb der EU geführt. Den Herausforderungen für den Sozialstaat muss jedoch mit aktiver Wirtschaftspolitik und mit der Weiterentwicklung sozialer Mindeststandards auf EU-Ebene begegnet werden und nicht mit einem Kürzen von Sozialleistungen.

Eine „Zuwanderung, um Sozialhilfeleistungen zu erhalten“ ist für Drittstaatsangehörige aus rechtlichen Gründen unmöglich. Im Gegenteil erhalten viele Personen, die schon jahrelang in Österreich leben, keine Mindestsicherung.

Aktuell wird das EU-Asylrecht neu verhandelt („Dublin-IV-VO“, AufnahmeRL, AsylstatusRL und VerfahrensRL). Es muss sichergestellt werden, dass Asylberechtigte weiterhin wie bisher Sozialhilfeleistungen wie StaatsbürgerInnen erhalten, da die Eingliederung in den Arbeitsmarkt nur gelingen kann, wenn die Existenz gesichert ist.

[1] Hinweis: Dieser Beitrag ist in leicht abgeänderter Fassung am 26.9.2017 auch auf http://blog.arbeit-wirtschaft.at/ erschienen.

[2] https://www.integrationsfonds.at/publikationen/zahlen-fakten/statistisches-jahrbuch-2017/.

[3] https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/soziales/sozialleistungen_auf_landesebene/bedarfsorientierte_mindestsicherung/114032.html.

[4] Ausgenommen KroatInnen.

[5] https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_12050/imfname_637882.pdf.

[6] http://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=89&langId=de&newsId=2699&moreDocuments=yes&tableName=news.

[7] http://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/soziales/sozialleistungen_auf_landesebene/bedarfsorientierte_mindestsicherung/114032.html.

[8] Da die BMS Ländersache ist, gibt es keine detaillierten österreichweiten BMS-Daten. Daher wird an dieser Stelle auf Wien Bezug genommen, weil dort rund die Hälfte der BMS BezieherInnen leben. Quelle: MA 24.

[9] Quelle: MA 24.

[10] Der Rest bezieht die BMS zusätzlich zu Arbeitslosenleistungen oder sonstigem Einkommen; Quelle: MA 24.

[11] https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_07838/index.shtml.

[12] EuGH C-41/84 vom 15.1.1986, Pinna.

[13] http://blog.arbeit-wirtschaft.at/nehmen-uns-die-auslaender-die-arbeitsplaetze-weg/.

[14] http://www.sozialpartner.at/wp-content/uploads/2015/08/2-2012-10-15Zukunft-EuropaLangfassung.pdf.

[15] https://media.arbeiterkammer.at/ooe/publikationen/daten_und_fakten/DuF_2017_Menschlichkeit_Sozialleistungen_Asylwerber.pdf.

[16] Ende 2016 gab es rund 455.000 aufrechte Aufenthaltstitel (65% Türkei, Serbien, Bosnien und Herzegowina). http://www.bmi.gv.at/302/Statistik/files/Niederlassungs_und_Aufenthaltsstatistik_2016.pdf

Die Gesamtanzahl der Personen mit aufrechtem Asylstatus ist in der Statistik nicht ausgewiesen. 2016 wurde rund 26.000 Personen Asyl bzw. subsidiärer Schutz zuerkannt, in den Jahren davor war diese Zahl deutlich geringer (2015: ca. 17.000, 2014: ca. 11.000, 2013: ca. 4.000, 2012: ca. 4.000),
http://www.bmi.gv.at/301/Statistiken/files/Jahresstatistiken/Jahresstatistik_Asyl_2016.pdf.

[17] Insgesamt verfügten (Stand Ende 2016) rund 280.000 Personen über einen solchen unbefristeten Aufenthaltstitel (75% Serbien, Türkei und, Bosnien-Herzegowina) http://www.bmi.gv.at/302/Statistik/files/Niederlassungs_und_Aufenthaltsstatistik_2016.pdf.

[18] Vgl exemplarisch § 5 WMG, § 5 NÖ-MSG.

ISSN 2305-2635

Die Ansichten, die in dieser Publikation zum Ausdruck kommen, stimmen nicht unbedingt mit jenen der ÖGfE oder jenen der Organisation, für die die AutorInnen arbeiten, überein.

Zitation

Bruckner, S., Peyrl, J. (2017). Die soziale Gleichbehandlung von EU-BürgerInnen – ein Eckpfeiler eines gemeinsamen Europas. Wien. ÖGfE Policy Brief, 22’2017

Mag. Sarah Bruckner

Mag. Sarah Bruckner ist Expertin für Europarecht in der Arbeiterkammer Wien

Dr. Johannes Peyrl

Dr. Johannes Peyrl ist Experte für Migrationsrecht in der Arbeiterkammer Wien