Der Brexit-Zeitplan steht auf der Kippe. Die EU-27 müssen entscheiden, ob sie einer Verschiebung der Brexit-Frist zustimmen oder nicht. Geht es nach den ÖsterreicherInnen, so sollte ein Ausscheiden Londons aus der EU ohne Abkommen jedenfalls vermieden werden. Am liebsten hätte es eine Mehrheit, wenn das Vereinigte Königreich Teil der EU bliebe. Das zeigt eine aktuelle ÖGfE-Umfrage, die von 18. bis 20. März online unter 512 ÖsterreicherInnen im Alter von 16 bis 69 Jahre durchgeführt wurde.
Knapp sechs von zehn Befragten (58 Prozent) geben an, dass es ihnen grundsätzlich lieber wäre, wenn Großbritannien Mitglied der Europäischen Union bleiben würde. Vor etwa einem Jahr, im Februar 2018, waren es nur 51 Prozent gewesen. Ein gutes Viertel (24 Prozent) wünscht sich aktuell, dass das Vereinigte Königreich die Union verlässt und damit um fünf Prozentpunkte mehr als noch vor einem Jahr. Der Anteil derjenigen, die „weiß nicht“ antworten, ist um 12 Prozentpunkte zurückgegangen.
Ein ungeregelter Brexit findet bei den ÖsterreicherInnen keine Mehrheit: 57 Prozent plädieren für eine Fristverlängerung, um einen ungeregelten Austritt zu verhindern. 32 Prozent meinen, dass Großbritannien mit Ende März die Union verlassen soll – auch ohne Abkommen. Ein Zehntel der Befragten (11 Prozent) kann zu dieser Frage nicht Stellung beziehen.
Die Brexit-Verhandlungsführung der EU wird mit gemischten Gefühlen gesehen. Die Hälfte der Befragten beurteilt sie als „eher schlecht“ (32 Prozent) bzw. „sehr schlecht“ (18 Prozent). Etwas mehr als ein Drittel zeigt sich zufriedener und bewertet die Performance der Union als „sehr gut“ (8 Prozent) oder „eher gut“ (27 Prozent). Ein recht großer Teil der Befragten – 15 Prozent – kann sich hierzu keine Meinung bilden.
Die EU steht vor schwierigen Entscheidungen. Die Zeit drängt. Ein ungeordnetes Ausscheiden Großbritanniens aus der EU sollte in beiderseitigem Interesse vermieden werden. Allerdings wäre es für die Union an der Zeit, sich – nach fast drei Jahren intensiver Bemühungen um eine zufriedenstellende Lösung – verstärkt anderen Prioritäten zu widmen. Keinesfalls sollten die EU-Wahlen Ende Mai und die künftige Arbeit der im Herbst neu aufgestellten EU-Institutionen von einem sich weiter ziehenden Brexit-Dilemma beeinträchtigt werden.
Die Wahrscheinlichkeit, dass in nächster Zeit weitere EU-Mitglieder die Union verlassen, wird als gering eingestuft. Sechs von zehn befragten ÖsterreicherInnen halten dies für „eher nicht“ (47 Prozent) oder „sehr unwahrscheinlich“ (13 Prozent). Für etwas mehr als ein Drittel ist dies jedoch vorstellbar: Für 9 Prozent ist es „sehr wahrscheinlich“, für 27 Prozent „eher“.
Die Mühen der Brexit-Verhandlungen und das prolongierte politische Chaos in Westminster sind wahrlich kein Vorbild, dem andere Mitgliedsländer nacheifern. Dies sollte auch jenen politischen Kräften zu denken geben, die versuchen, mit Stimmungen statt mit konkreten Ergebnissen die Zukunft Europas zu schreiben.
Paul Schmidt
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