Zumindest in Sachen EU-Stimmung hat der britische EU-Austrittsprozess durchaus Positives bewirkt. Seit zwei Jahren steigt die Zustimmung zur EU-Mitgliedschaft stetig an, und das nicht nur in Österreich. Einen Exit à la Großbritannien möchte niemand erleben.
Trotz allem gibt es EU-weit nach wie vor eine Mehrheit, die „kein Vertrauen“ in die Union zu haben scheint. Nur drei von zehn EU-Bürgern sind, laut Eurobarometer-Umfrage, der Ansicht, dass sich die Dinge in der EU in die richtige Richtung entwickeln. Auch die nationale Politik bekommt ihr Fett ab. Das Vertrauen in die jeweilige Regierung oder das nationale Parlament ist im EU-Durchschnitt sogar noch geringer als jenes in die Union. Zudem sieht nur etwas mehr als ein Drittel den Weg, den das eigene Land beschreitet, positiv. Ein gehöriges Frustpotenzial also – das sich nicht zuletzt in Proteststimmen bei nationalen Wahlen niederschlägt und auch die neue Zusammensetzung des Europäischen Parlaments beeinflussen könnte.
Dennoch: Die diversen Krisen in Europa haben auch zu mehr öffentlicher Aufmerksamkeit geführt, der österreichische EU-Ratsvorsitz hat hierzulande dazu beigetragen. Die schlimmsten Verwerfungen der Wirtschafts-, Finanz- und Staatsschuldenkrise sind behoben, die Migrationsthematik ist vorläufig unter Kontrolle. Auch das macht sich in den aktuellen Umfragewerten bemerkbar, die sich langsam, aber stetig in Richtung des Vorkrisen-Niveaus bewegen.
Was bedeutet das nun für die kommenden Europawahlen? Zum einen: Die Menschen wollen konkrete Resultate und würdigen gemeinsame Anstrengungen, große Herausforderungen zu lösen. Zum anderen: Es gibt noch viel zu tun. Die Performance der EU wirkt sich letztlich nachhaltiger auf ihre Popularität aus als das politisch-strategische Fiasko in London. Von der EU wird erwartet sich zu reformieren, um die eigene Leistungsfähigkeit weiter zu steigern. Dazu muss der Staatenverbund die europäische und die nationalstaatliche Ebene, aber auch die Regionen in seinem europapolitischen und grenzüberschreitenden Wirken besser in Einklang bringen.
Das gilt es nun bis Ende Mai – und darüber hinaus – umfassend zu diskutieren – und nach der Neuordnung der EU-Institutionen im Herbst mit Leben zu erfüllen. Dann besteht auch die Chance, die Beteiligung an den EU-Wahlen zu heben. Immerhin sind mehr EU-Bürger als zuvor der Ansicht, dass ihre Stimme in der EU zählt. Der Brexit ist ein Hebel, so manches anders und vor allem effizienter zu machen. Schließlich werden nicht alle mit derselben Integrationsgeschwindigkeit in die Zukunft gehen können. Stehenbleiben und sich gegenseitig blockieren, ist auf Dauer eben keine Option. Auf den positiven Schnappschuss-Umfragedaten zur EU infolge des innerbritischen Chaos sollte sich jedoch niemand ausruhen. Gerade nach dem Brexit gilt: Es muss sich etwas verändern, damit es besser wird.
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