25 Jahre EU-Mitgliedschaft Österreichs – eine Bilanz aus wirtschaftlicher Perspektive

Handlungsempfehlungen

  1. Österreich zählt zu den Gewinnern des Binnenmarktes und der EU-Erweiterung um die mittel- und osteuropäischen Länder. Als einer der größten Investoren sollte Österreich den Erweiterungsprozess um weitere Westbalkanländer daher unterstützen.
  2. Österreich ist nach anfänglichen Schwierigkeiten bereits Nettoempfänger bei den EU-Forschungsprogrammen und mit einer Forschungsquote von 3,19% (gemessen am BIP) nach Schweden Nr. 2 in der EU. Eine hohe Dotierung des künftigen Forschungsrahmenprogramms wäre daher von Vorteil.
  3. Auch wenn Österreich insgesamt Nettozahler ist, übertreffen die Vorteile der Mitgliedschaft bei weitem die Kosten. Ein „Öxit“ kann für Österreich keine Option sein!

Zusammenfassung

Am 1.1.1995 erweiterte sich die EU um Österreich, Schweden und Finnland auf 15 Mitgliedstaaten. In den 25 Jahren, die seither vergangen sind, hat sich unser Land stark verändert: Österreich wurde internationaler, bisherige Strukturen wurden durch den Wettbewerbsdruck aufgebrochen, unser Land hat sich geöffnet, die einstige „tote Grenze“ zu den ehemals kommunistischen Staaten ist heute weitgehend offen, Österreich ist ins geografische und wirtschaftliche Zentrum der EU gerückt, Zollformalitäten und –kontrollen gehören heute der Vergangenheit an.
Rund 70% unseres Außenhandels wird innerhalb des Binnenmarktes abgewickelt, die Exporte in die 27 anderen EU-Mitgliedstaaten haben sich von 33 Mrd. Euro im Jahr 1995 auf 105 Mrd. Euro im Jahr 2018 mehr als verdreifacht. Ausländische Unternehmen investierten in Österreich seit dem EU-Beitritt durchschnittlich fünfmal mehr als in den drei Jahren vor dem Beitritt. Der Bestand ausländischer Direktinvestitionen ist in diesen 25 Jahren auf das Elffache gestiegen.
Der Maastricht-Vertrag und die damit beschlossene Teilnahme an der Wirtschafts- und Währungsunion legten Österreich und den anderen EU-Staaten Kriterien auf, die insgesamt zu einer notwendigen Budgetkonsolidierung, einer rückläufigen Staatsverschuldung sowie einer geringen Inflationsrate führten. Lediglich die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 und deren Folgen unterbrachen diesen Konsolidierungsprozess. Ohne den schützenden Schirm der EU für osteuropäische Staaten und insbesondere der Währungsunion hätte Österreich die Wirtschaftskrise nicht so gut überstanden.
Österreich konnte auch die Teilnahme an den EU-Forschungsprogrammen sehr gut nützen: Die Forschungsquote verdoppelte sich und Österreich ist mittlerweile Nr. 2 in der EU. Auf der anderen Seite wurden gerade in den letzten Jahren viele bürokratische Vorschriften erlassen, die in Summe zu gravierenden Wettbewerbsnachteilen gegenüber anderen Wirtschaftsregionen der Welt führen. Europa hat dadurch den Anschluss an Zukunftsthemen wie Digitalisierung, Artificial Intelligence und Elektromobilität verloren, weil die Technologie woanders entwickelt wird – zum Teil sogar von ausgewanderten EuropäerInnenn. Dennoch kann das Resümee gezogen werden, dass die Vorteile bei weitem überwiegen.

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25 Jahre EU-Mitgliedschaft Österreichs – eine Bilanz aus wirtschaftlicher Perspektive

Am 1.1.1995 erweiterte sich die Europäische Union (EU) um Österreich, Schweden und Finnland auf 15 Mitgliedstaaten. In allen drei Staaten fanden zuvor Volksabstimmungen über die Mitgliedschaft statt, die Zustimmung war in Österreich mit 66,64% am höchsten.
Auch wenn die EU-phorie in den Folgejahren abnahm, gab es in Österreich – im Gegensatz zum Vereinigten Königreich – nie eine Mehrheit für einen „Öxit“, also eine Beendigung der Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Einer Umfrage der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) zufolge wollten im Herbst 2019 lediglich 10% der österreichischen Bevölkerung aus der EU austreten, 74% hingegen Mitglied bleiben.[1] Der schlechteste Wert in der 25jährigen Zeitreihe der ÖGfE war im Sommer 2008 knapp vor Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise, als die Zustimmung zum Verbleib in der EU 59% betrug und 33% einen EU-Austritt wünschten.
Ist diese Zustimmung seitens der österreichischen Bevölkerung auch aus Sicht der Wirtschaft begründbar? 25 Jahre nach dem Beitritt kann man bereits eine langfristige Bewertung abgeben: Die Daten und Fakten bestätigen das positive Grundgefühl der ÖsterreicherInnen zur EU.

1. Teilnahme am Binnenmarkt

Der wichtigste Effekt für die heimische Wirtschaft war der gleichberechtigte Zugang zum Binnenmarkt. Weder das 1972 abgeschlossene Freihandelsabkommen noch der Europäische Wirtschaftsraum / EWR (der erst ein Jahr vor der Mitgliedschaft in Kraft trat) konnten die für die Wirtschaft wichtigste Freiheit des Binnenmarktes – die Freiheit des Warenverkehrs – herstellen. Einerseits waren die Landwirtschaft und die nachgelagerte Nahrungs- und Genussmittelwirtschaft vom Freihandelsabkommen ausgeschlossen, andererseits blieben Grenzformalitäten (Kontrolle der Warenbegleitpapiere) und die nicht kalkulierbaren Wartezeiten an den Grenzen zu Italien und Deutschland als Wettbewerbsnachteil gegenüber EU-Firmen bestehen.
Innerhalb der EU waren die Grenzkontrollen durch die Einführung des Binnenmarktes am 1.1.1993 abgeschafft worden. Damit beispielsweise Just-in-time-Lieferungen pünktlich durchgeführt werden konnten, unterhielten zahlreiche österreichische Firmen kostspielige Auslieferungslager innerhalb der EU, um nach Einlangen von Bestellungen die Waren ohne Grenzwartezeiten gleich im Binnenmarkt ausliefern zu können.
Berechnungen der Europäischen Kommission vor Vollendung des Binnenmarktes[2]  kalkulierten die Kosten der Bürokratie an der Grenze (Kontrolle der Warenbegleitpapiere, Wartezeiten etc.) mit mindestens 2 Prozent (bis 5%) des Warenwertes. Umgerechnet auf die damaligen österreichischen Exporte in die EU lagen die Kosten 1995 zwischen 500 Millionen und einer Milliarde Euro pro Jahr.[3]

Man möge sich nur vorstellen, welche große Anzahl von Aufträgen nicht zustande käme, wenn Österreich noch außerhalb des Binnenmarktes stünde und die Kostennachteile gegenüber anderen EU-Konkurrenten hätte.

Da der Großteil des österreichischen Außenhandels (70 %) auch heute auf die Länder der EU entfällt, ersparen sich die heimischen Unternehmen im EU-Export aufgrund des Wegfalls der Binnengrenzen in der EU bereits rund 2,1 – 5,25 Mrd. Euro jährlich![4] Man möge sich nur vorstellen, welche große Anzahl von Aufträgen nicht zustande käme, wenn Österreich noch außerhalb des Binnenmarktes stünde und die Kostennachteile gegenüber anderen EU-Konkurrenten hätte. Dazu kämen noch die vielen Probleme mit technischen Handelshemmnissen, Steuerschranken etc. – Hindernisse, die das Vereinigte Königreich nach dem Brexit haben wird.

Auch Regionen mit starkem Mittelstand und Zuliefererbetrieben, die viel in die EU exportieren, sind Gewinner – beides Voraussetzungen die in Österreich stark vorhanden sind.

Durch den EU-Binnenmarkt wurden nicht nur Grenzkontrollen abgeschafft, er bescherte den Europäern grundsätzlich auch ein Plus im Portemonnaie, wie eine jüngst veröffentlichte Studie der Bertelsmann-Stiftung ergab. Im Durchschnitt steigert der Binnenmarkt die Einkommen der EU-Bürger jährlich um rund 840 Euro pro Person.[5] Je stärker Industrie und Exportbranchen in einer Region verankert sind, desto höher sind in der Regel auch die Einkommensgewinne durch den Binnenmarkt, wie die Studie der Bertelsmann-Stiftung vom Mai 2019 zeigt. Auch Regionen mit starkem Mittelstand und Zuliefererbetrieben, die viel in die EU exportieren, sind Gewinner – beides Voraussetzungen die in Österreich stark vorhanden sind.
Die größten positiven Effekte beim Pro-Kopf-BIP konnten dabei die durch zahlreiche bilaterale Verträge mit der EU verbundene Schweiz (2.900 Euro), Luxemburg (2.800 Euro) und Irland (1.900 Euro) verbuchen, aber neben Belgien (1.627 Euro) zählen auch Österreich (1.583 Euro) und die Niederlande (1.518 Euro) zu den Top-Profiteuren. Für Deutschland werden die jährlichen Einkommenszuwächse pro Person mit lediglich 1.046 Euro beziffert. Innerhalb Österreichs schneiden Vorarlberg (2.062 Euro) und Salzburg (2.038 Euro) am besten ab, gefolgt von Tirol (1.937 Euro), Wien (1.711 Euro), Oberösterreich (1.688 Euro), Steiermark (1.427 Euro), Kärnten (1.414 Euro), Niederösterreich (1.290 Euro) und Burgenland (1.083 Euro).
Die Zuwächse in Südeuropa fielen dagegen aufgrund der geringeren Wettbewerbsfähigkeit niedriger aus: In Spanien sind es beispielsweise nur 590 Euro pro Kopf und Jahr, in Portugal 500 Euro und in Griechenland 400 Euro, heißt es in der Studie „Ökonomische Effekte des EU-Binnenmarktes in Europas Ländern und Regionen“. Am geringsten sind die Einkommensgewinne in Bulgarien (190 Euro) und Rumänien (240 Euro).

2. Entwicklung des Außenhandels

Wie schon vor dem EU-Beitritt entfiel auch 2018 der Großteil – ca. 70% – des österreichischen Außenhandels auf andere Mitgliedstaaten der EU. So ist die EU die mit Abstand wichtigste Export- und Importregion für Österreich. Seit dem Beitritt Österreichs zur EU stiegen die Exporte in die heutigen 27 anderen EU-Mitgliedstaaten von 33 Mrd. Euro im Jahr 1995 auf 105 Mrd. Euro im Jahr 2018 (von weltweit 150 Mrd.). Das zeigt die Bedeutung des EU-Binnenmarktes für Österreich (Statistik Austria, Juli 2019). Insbesondere durch die Integration mit den Mitgliedstaaten aus Mittel- und Südosteuropa (2004, 2007 und 2013) und das damit verbundene Exportwachstum konnte 2006 die weltweite Export-Schallmauer von 100 Mrd. Euro bzw. 2018 von 150 Mrd. Euro durchbrochen werden. (Statistik Austria, Juli 2019)

Als kleine offene Marktwirtschaft entwickelte Österreich einen weit verzweigten und hoch differenzierten Außenhandel.

Der österreichische Außenhandel ist ein überaus wichtiger Faktor der heimischen Wirtschaft und Motor der Konjunktur. Als kleine offene Marktwirtschaft entwickelte Österreich einen weit verzweigten und hoch differenzierten Außenhandel. So ist etwa die Exportquote (Waren- und Dienstleistungsexporte gemessen am BIP) von 33,6 % (1995) auf 54,5 % (2018) gestiegen und liegt damit über dem EU-Durchschnitt. Der Anteil der reinen Warenexporte am Bruttoinlandsprodukt stieg von 1995 bis 2018 von 23,4 auf 38,9 %. (Statistik Austria, Juli 2019)
Insgesamt gibt es mittlerweile über 60.100 österreichische Exportbetriebe, die überwiegende Mehrheit sind Klein- und  Mittelbetriebe. Je Milliarde Exportvolumen werden mehr als 10.000 Arbeitsplätze gesichert, damit ist fast jeder zweite Job in Österreich direkt oder indirekt vom Export abhängig! (Aussenwirtschaft Austria, August 2019)
Durch den Wegfall der Handelshemmnisse konnte Österreich die sich bietenden Chancen stark nützen und seine Exporte – nicht zuletzt aufgrund der positiven Entwicklung in Mittel- und Osteuropa – durchschnittlich um neun Prozent pro Jahr steigern. Schon vor ihrem EU-Beitritt (Ostöffnung nach dem Fall der Berliner Mauer) waren die neuen Mitgliedstaaten eine der wichtigsten Stützen des österreichischen Exportes. Die unmittelbare Nachbarschaft und die ähnliche Mentalität waren für österreichische Unternehmer traditionell ein Wettbewerbsvorteil, der durch den mit der Erweiterung verbundenen freien Waren-, Kapital- und Personenverkehr ausgebaut werden konnte.

In Summe verzeichnet Österreich mit den neuen EU-Mitgliedstaaten einen permanenten Handelsbilanzüberschuss.

Allein die Exporte in die fünf neuen Mitgliedstaaten Ungarn, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Polen haben sich seit dem österreichischen EU-Beitritt 1995 verfünffacht: Sie stiegen von 4 Mrd. Euro (1995) auf 9,7 Mrd. (2003) und auf 21,8 Mrd. Euro im Jahr 2018 (Statistik Austria, Juli 2019). In Summe verzeichnet Österreich mit den neuen EU-Mitgliedstaaten einen permanenten Handelsbilanzüberschuss.

3. Aktive und passive Direktinvestitionen

Vor dem EU-Beitritt bestand die berechtigte Erwartung, dass Österreich als EU-Mitglied verstärkt ausländische Direktinvestitionen von Unternehmen anziehen würde. Ausländische Unternehmen investierten in Österreich seit dem EU-Beitritt durchschnittlich (1995–2018) rund 6,9 Milliarden Euro pro Jahr. In den drei Jahren vor dem Beitritt waren es ca. 1,3 Milliarden Euro pro Jahr. Die Investitionen ausländischer Unternehmen in Österreich sind damit im Durchschnitt auf das Fünffache angestiegen, die größten Investitionen stammen von Unternehmen aus Deutschland, Italien, den Niederlanden und der Schweiz. Der Bestand an Direktinvestitionen in Österreich hat sich von rund 16 Mrd. Euro im Jahr 1995 auf rund 176 Mrd. Euro im Jahr 2018 erhöht.

Quelle: OeNB, November 2019

Ausländische Tochterfirmen in Österreich beschäftigen mehr als 550.000 Personen in Österreich und tragen rund zur Hälfte aller industriellen F & E-Ausgaben bei. Für etwa 28% der Direktinvestitionen ist die EU-Mitgliedschaft ausschlaggebend. (Keuschnigg, 2016)
Neben den ausländischen Investitionen in Österreich stiegen auch die österreichischen Investitionen im Ausland seit dem EU-Beitritt stark an. Der Bestand an österreichischen Direktinvestitionen im Ausland erhöhte sich auf rund 203 Mrd. Euro im Jahr 2018. (OeNB, November 2019)

CESEE: Albanien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Estland, Kosovo, Kroatien, Lettland, Litauen, Mazedonien, Moldawien, Montenegro, Polen, Rumänien, Russland, Serbien, Slowakische Republik, Slowenien, Tschechische Republik, Ukraine, Ungarn, Weißrussland

Quelle: OeNB, 2019

Österreichische Unternehmen nutzten die Investitionschancen früher als die internationale Konkurrenz und investierten bereits seit 1990 in den mittel- und osteuropäischen Ländern (MOEL). Der Bestand an österreichischen Direktinvestitionen in den mittel- und osteuropäischen Ländern stieg von 0,4 Mrd. Euro im Jahr 1990 auf 60 Mrd. Euro im Jahr 2018 (OeNB, 2019). Dieser Wert entspricht fast einem Drittel der gesamten Direktinvestitionen Österreichs im Ausland.

Österreich kann von den Regional- und Strukturförderungen indirekt profitieren, die die neuen Mitgliedstaaten aus Brüssel erhalten.

Die österreichische Investitionstätigkeit ist damit auch im internationalen Vergleich außerordentlich stark auf Mittel- und Osteuropa konzentriert. Seit der Erweiterung besteht ein enormer Nachholbedarf im Umwelt- und Energiebereich sowie bei der Verkehrsinfrastruktur. Österreich kann von den Regional- und Strukturförderungen indirekt profitieren, die die neuen Mitgliedstaaten aus Brüssel erhalten. Die geographische Nähe ist ein deutlicher Wettbewerbsvorteil gegenüber Unternehmen aus anderen Ländern.
Österreich ist in Slowenien, Bosnien-Herzegowina und Nordmazedonien der bedeutendste Investor. In der Slowakei, in Kroatien, Bulgarien und in Serbien belegen Österreichs Unternehmen mit ihren Firmenbeteiligungen den 2. Platz. Auch in den übrigen mittel- und osteuropäischen Ländern ist Österreich als Direktinvestor stark vertreten.

4. Teilnahme an der Wirtschafts- und Währungsunion

Der Maastricht-Vertrag und die damit beschlossene Teilnahme an der Wirtschafts- und Währungsunion legten Österreich und den anderen EU-Staaten Kriterien auf, die insgesamt zu einer notwendigen Budgetkonsolidierung (1995 noch 6,1% Budgetdefizit, 2018 erstmals ein Budgetüberschuss von 0,2%), einer nach der Wirtschaftskrise 2008/2009 rückläufigen Staatsverschuldung sowie einer geringen Inflationsrate führten. Die durchschnittliche Inflationsrate seit EU-Beitritt betrug 1,6%, im gleichen Zeitraum vor der Mitgliedschaft 4,7% mit einer Spitze Mitte der 70er Jahre mit fast 10%.
Ohne den schützenden Schirm der EU hätte Österreich die Wirtschaftskrise nicht so gut überstanden. Aufgrund der hohen österreichischen Bankenpräsenz in Mittel- und Osteuropa – insbesondere Rumänien und Ungarn – und der dort vergebenen Kredite wurde unser Land zeitweise als zumindest gleich gefährdet wie Griechenland eingeschätzt. Die von der EU für die mittel- und osteuropäischen EU-Staaten beschlossenen stark erhöhten Zahlungsbilanzhilfen beruhigten allerdings sehr rasch die Befürchtungen für Österreich.

5. Teilnahme an den EU-Forschungsprogrammen

Die Beteiligung an den EU-Forschungsprogrammen sind wesentlich für Österreichs Weg zur europäischen Innovationsführerschaft. Die Forschungs- und Innovationseinrichtungen zeichnen sich durch hohe Qualität aus und nehmen sehr erfolgreich an den Programmen – zuletzt „Horizon2020“ – teil. 17,7% der Bewerbungen waren erfolgreich. Damit hat Österreich die zweitbeste Erfolgsquote in der EU-28 hinter Schweden. 2019 wurden in Österreich insgesamt rund 12,8 Mrd. Euro für Forschung & Entwicklung (F&E) aufgewendet. Das sind um 550 Mio. bzw. 4,5% mehr als 2018. Der Anteil der F&E-Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt, die sogenannte Forschungsquote, liegt damit bei 3,19%. Im EU-Vergleich haben wir hinter Schweden (3,4%) die zweithöchste Forschungsquote.
Das Programm für den Zeitraum 2014-2020, Horizon2020, führt Innovation, Forschung und Wirtschaft näher zusammen und ist mit 79,4 Mrd. Euro dotiert. Damit steht ein um knapp 50 Prozent höheres Budget zur Verfügung als im Vorläuferprogramm (54 Mrd. Euro).

Mit einer Rückflussquote von rund 130% an Fördergeldern im Forschungsbereich gehört das Land zu den erfolgreichsten in Europa.

Gemessen an den rechnerischen Beträgen ist Österreich bereits seit Jahren „Nettoempfänger“ bei den Geldern aus dem EU-Forschungsrahmenprogramm. In der gesamten letzten Programmperiode von 2007-2013 haben knapp 3.200 Teilnehmer aus Österreich rund 950 Mio. EUR an Mitteln aus dem Fördertopf der EU erhalten. Mit einer Rückflussquote von rund 130% an Fördergeldern im Forschungsbereich gehört das Land zu den erfolgreichsten in Europa. Das heißt, dass für jeden ins EU-Budget eingezahlten Euro, 1,30 Euro nach Österreich zurückflossen. Dies setzt sich auch im aktuellen Programm Horizon 2020 fort. Seit Beginn von Horizon2020 im Jahr 2014 wurden Rückflüsse nach Österreich in Höhe von insgesamt 1,26 Mrd. Euro vertraglich fixiert, davon ein Drittel an Unternehmen (FFG, Juli 2019). Beruhend auf den aktuellen Trends, könnten österreichische TeilnehmerInnen bis zum Ende dieses Rahmenprogramms rund 1,80 Mrd. Euro einwerben (beim Rahmenprogramm 7 waren es lediglich 1,19 Mrd. Euro).

6. Regionalförderung

In der öffentlichen Diskussion vor der EU-Volksabstimmung im Juni 1994 spielten die zu erwartenden EU-Förderungen eine große Rolle. Österreich musste zu Beginn der Mitgliedschaft erst geeignete Verwaltungsstrukturen zur Administration der EU-Mittel schaffen. So wurden erst Ende 1995 die ersten operationellen Programme für Österreich seitens der EU-Kommission genehmigt. Insgesamt erhielten die betroffenen Regionen im Zeitraum 1995 – 1999 von der EU rund 22 Milliarden Schilling (1,623 Milliarden Euro zu Preisen 1995) zugesprochen. (Österreichische Raumordnungskonferenz)
2000-2006 erhielt Österreich 1,827 Mrd. Euro, 2007 bis 2013 1,5 Mrd. Euro und in der neuen Finanzperiode 2014 bis 2020 stehen ca. 1,2 Mrd. Euro zur Verfügung. Durch die für EU-Förderungen nötige nationale Kofinanzierung erhöht sich das Projektvolumen um mindestens das Dreifache.[6]
Die EU ist eine Solidargemeinschaft, daher unterstützen die reicheren Mitglieder die ärmeren beim Aufholprozess. Das Burgenland, das bis 2006 Ziel 1 und somit in der höchsten Förderkategorie war, hat diesen Status infolge der Erweiterung verloren. Es erhielt Übergangshilfen – im EU-Jargon „Phasing-out“ genannt –, die sich von 2007 bis 2013 auf rund 177 Mio. Euro beliefen (ohne nationale Kofinanzierung). (Österreichische Raumordnungskonferenz).[7]
Auch in der Finanzperiode 2014 bis 2020 gilt das Burgenland als sogenannte Übergangsregion. Zwar mag es auf der einen Seite bedauerlich sein, dass kein österreichisches Bundesland mehr Gelder aus der höchsten Förderkategorie erhält, andererseits zeugt dies aber auch davon, dass der wirtschaftliche Aufholprozess des Burgenlands – nicht zuletzt dank der Finanzhilfen aus Brüssel – erfolgreich war.[8]
In den ausgewiesenen Fördergebieten leben 25,87 Prozent der österreichischen Bevölkerung, das entspricht 2,186 Millionen Einwohner. Die höchstzulässigen Förderungen für Investitionen bzw. Neugründungen betragen für mittlere Unternehmen 20 Prozent und für kleine Unternehmen 30 Prozent der förderbaren Investitionssumme. Für große Unternehmen hat die EU-Kommission die maximal mögliche Förderintensität von 15 auf 10 Prozent reduziert.

7. Österreichs „Nettozahlungen“ bzw. „Nettobeitrag“ an die EU

Die Differenz zwischen dem Bruttobeitrag eines Landes und den Rückflüssen aus dem EU-Budget ergibt den Nettobeitrag eines Landes. Seit dem EU-Beitritt 1995 hat Österreich jedes Jahr aufgrund seines relativen Wohlstands mehr in den europäischen Haushalt einbezahlt als an (direkten) Mitteln erhalten. Am wenigsten zahlte Österreich im Jahr 2002 (213 Mio. Euro). (Europäische Kommission, Finanzbericht 2018) Dieses Jahr kann jedoch nicht als die Norm eingestuft werden, da damals unter anderem außerordentliche EU-Rückflüsse wegen der Hochwasserhilfe zu verbuchen waren. Zudem ist seit damals Österreichs Rabatt auf den „Briten-Rabatt“[9] wirksam. Gemessen an der wirtschaftlichen Leistungskraft ergibt sich ein ganz anderes Bild der österreichischen „Nettozahler-Position“: hier liegt der Nettobeitrag Österreichs 2018 mit 0,35 % ungefähr in der Mitte des langjährigen Schnittes.


Diese „Nettozahler-Position“ Österreichs wird oft kritisiert, die Diskussion aber stets zu kurzsichtig und wenig objektiv geführt.

Die Bewertung des Nutzens der EU-Mitgliedschaft für Österreich kann keinesfalls  darauf reduziert werden, dass man die Rückflüsse von der EU an Österreich vom österreichischen Bruttobeitrag abzieht. Diese „Nettozahler-Position“ Österreichs wird oft kritisiert, die Diskussion aber stets zu kurzsichtig und wenig objektiv geführt. Denn diesen Zahlen müssen andere Vorteile gegenübergestellt werden: allein die jährlichen Einsparungen von mindestens 2,1 Mrd. Euro durch den Wegfall der Zollgrenzen sind jedenfalls weit mehr als der jährliche Nettobetrag. Regionalförderungen, die beispielsweise in mittel- und osteuropäischen Länder für Infrastrukturprojekte verwendet werden, kommen sehr häufig Tochtergesellschaften österreichischer Unternehmen zugute – werden aber natürlich nicht als „Rückflüsse“ nach Österreich verbucht. Und wie will man darüber hinaus die Vorteile aus dem einheitlichen Währungsgebiet, die Studentenmobilität und die Sicherheitsdividende durch die EU bewerten?

8. Was wäre, wenn Österreich aus der EU austreten würde?

Die konkreten Auswirkungen eines Austrittes Österreichs aus der EU hat Prof. Dr. Christian Keuschnigg, Professor in St. Gallen und Leiter des WPZ (Wirtschaftspolitisches Zentrum), in seiner Studie „Österreich in der EU oder Öxit?“ (November 2016) untersucht. Der Nutzen, den Österreich aus der Teilnahme am Binnenmarkt hat, übersteigt um ein Vielfaches den sogenannten Nettobeitrag unseres Landes zum Budget der EU.
Die wirtschaftliche Isolation Österreichs und der Wegfall des Mitbestimmungsrechtes auf EU-Ebene wären mit Sicherheit eine große Gefahr für ein außenhandelsorientiertes Land wie Österreich. Keine Frage, es gibt sicher auch Unternehmen, die von einer Abschottung des österreichischen Marktes profitieren würden: Generell würden Unternehmen, die wenige Berührungspunkte mit dem EU-Ausland haben, einen Austritt unseres Landes aus der EU vorerst kaum, dafür aber später mit Verzögerung spüren. Denn eine Isolation Österreichs vom Europäischen Binnenmarkt würde mit hoher Wahrscheinlichkeit unsere gesamte Wirtschaft schwächen.
Ein Vorteil des Öxit wäre, dass bei einem EU-Austritt der Nettobeitrag an das EU-Budget wegfallen würde.
Dem steht aber gegenüber, wie die Mitgliedschaft die wirtschaftliche Entwicklung in Österreich angekurbelt hat: In den Jahren nach dem Beitritt fiel das Wachstum im Schnitt um 0,5% höher aus (am Anfang mehr, später weniger). Damit hat Österreich heute ein Wohlstandsniveau, das dauerhaft um 7,2% des BIP höher ausfällt, als hätte es auf den Beitritt verzichtet. Das ist das 19-Fache des Nettobeitrags. Anders gesagt: Die Investition verzinst sich mit 1.900 % – eine phänomenale Rendite, wie Keuschnigg betont.

Nur als voll berechtigtes Mitglied kann Österreich die Entwicklungen in der EU beeinflussen.

Dazu kommt, dass Österreich als kleines Land mitten in Europa und umgeben von EU-Staaten wirtschaftspolitisch kaum Optionen hat, die einen Alleingang abseits der EU ohne große Kosten erlauben würden. Der faktische Zwang, die Politik der EU als Nicht-Mitglied passiv übernehmen zu müssen, klingt nicht nach großer Souveränität, so Keuschnigg. Nur als voll berechtigtes Mitglied kann Österreich die Entwicklungen in der EU beeinflussen. Angesichts dessen kann ein Öxit nur selbstschädigend sein.
Viel besser ist es, mit Sitz und Stimme und mit einer klaren Europastrategie auf eine Reform der EU hinzuarbeiten, die allen nützt, so Keuschnigg. Die vorliegenden und in diesem Beitrag aufgelisteten Fakten bestätigen diese These. Es liegt nun an der neuen österreichischen Bundesregierung, die österreichische Stimme in Europa entsprechend einzubringen und die wesentlichen Anliegen voranzutreiben!

  • Checchini, P., Catinat, M., Jacquemin, A. (1988).
    ‘The Benefits of a Single Market’, Wildwood
    House
  • Europäische Kommission, Dashboard Horizon 2020, Länderstatistik Österreich, https://ec.europa.eu/info/funding-tenders/opportunities/portal/screen/opportunities/horizon-dashboard
  • Europäische Kommission Finanzbericht 2018, Oktober 2019
    FFG, Österreich in Horizon2020, Juli 2019
  • Keuschnigg Christian, Österreich in der EU oder
    Öxit? Wirtschaftspolitisches Zentrum St. Gallen,
    2016
  • Oesterreichische Nationalbank, Statistik der Direktinvestitionen, https://www.oenb.at/Statistik/
    Standardisierte-Tabellen/auszenwirtschaft/direktinvestitionen.html (Abfrage November 2019)
  • Pataki Zsolt, The Cost of Non- Europe in the Single
    Market ‘Cecchini Revisited’ – an overview of the
    potential economic gains from further completion of the European Single Market STUDY EPRS |
    European Parliamentary Research Service (2014)
  • Ponattu Dominic, Mion Giordano, Ökonomische Effekte des EU-Binnenmarktes in Europas Ländern
    und Regionen, Policy Paper, Bertelsmann Stiftung, 2019
  • Statistik Austria, Außenhandel 2018, Juli 2019

[1] https://oegfe.at/2019/10/29_umfrage_eumitgliedschaft/
[2] Cecchini-Report: eine von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene Studie aus dem Jahre 1988 über die wirtschaftlichen Auswirkungen der für 1992 vorgesehenen Binnenmarktvollendung.
[3] Eigene Berechnung auf Basis des Cecchini-Reports.
[4] Eigene Berechnung auf Basis des Cecchini-Reports.
[5] Ponattu Dominic, Mion Giordano, Ökonomische Effekte des EU-Binnenmarktes in Europas Ländern und Regionen, Policy Paper, Bertelsmann Stiftung, 2019
[6] Österreichische Raumordnungskonferenz
[7] Österreichische Raumordnungskonferenz
[8] Österreichische Raumordnungskonferenz
[9] Britenrabatt: Das Vereinigte Königreich erhält einen Rabatt im Ausmaß von rund 2/3 seiner Nettobelastungen. Der Rabatt wird von den übrigen Mitgliedstaaten im Verhältnis ihres BIP–Anteils finanziert. Zur Entlastung der Nettozahler Österreich, Deutschland, Schweden und Niederlande müssen sich diese Mitglieder an der Finanzierung des Rabatts nur noch zu 25 % beteiligen.

ISSN 2305-2635
Die Ansichten, die in dieser Publikation zum Ausdruck kommen, stimmen nicht unbedingt mit jenen der ÖGfE oder jener Organisation für die der Autor arbeitet überein.

Schlüsselwörter
EU, Österreich, EU-Mitgliedschaft, Handel, Direktinvesti­tionen, Wirtschafts- und Währungsunion, Regionalförde­rung, Forschung, Nettozahlungen

Zitation
Mandl, C. (2019). 25 Jahre EU-Mitgliedschaft Österreichs – eine Bilanz aus wirtschaftlicher Perspektive. Wien. ÖGfE Policy Brief, 26’2019

MMag. Christian Mandl

MMag. Christian Mandl ist seit 2001 Abteilungsleiter in der WKÖ ("Europapolitik"). Nach dem Studium (Volkswirtschaftslehre,  Rechtswissenschaften - Universität Wien) arbeitete er von 1988-2001 in der Vereinigung der Österreichischen Industrie (u. a. "Internationale Handels- und Währungspolitik", Assistent des Generalsekretärs, Leiter des Euro-Info-Centers, Abteilungsleiter "Europäische Integration").