Wie Österreich die EU sieht: Herausforderungen und geringe Wahlbeteiligung der Jugend

Am 03.10.204 sind die Ergebnisse der Nachwahlbefragung des Eurobarometers des EU-Parlaments erschienen. Die Umfrage wurde vom 13.06.-28.06. mit 1036 Befragten durchgeführt. Die gesamten Ergebnisse der Studie können Sie unter Eurobarometer.eu herunterladen. Hier erläutern wir die wichtigsten Ergebnisse für Österreich und wie diese einzuordnen sind. Die vorliegenden Grafiken sind aus dem verlinkten Dokument des Eurobarometers entnommen.

Einstellung zur EU

In der Eurobarometer Umfrage wird immer abgefragt, wie Bürger:innen die EU im Allgemeinen sehen und wie sie zur Mitgliedschaft stehen.

In Österreich zeigt sich: Das Bild von der EU ist seit der letzten Befragung im Februar/März 2024 positiver geworden, obwohl es noch immer unter dem EU-Durchschnitt liegt. Etwas mehr als ein Viertel der Bevölkerung hat eine negative Einstellung zur EU.

  • 41 % in Österreich haben ein positives Bild zur EU (+ 5 PP gegenüber Frühjahr) (EU-weit 48 %), 32 % „weder noch“ (- 7 PP), 27 % „negatives Bild“ (+ 2 PP) (EU-weit 16 %)
  • 58 % sehen in Österreich Vorteile durch die EU-Mitgliedschaft (+ 2 PP) (EU-weit 70 %). Die Zahl jener, die das nicht so empfinden, ist um 4 PP zurückgegangen – auf 35 % (EU-weit 24 %)
  • 59 % sagen in Österreich, dass die EU-Mitgliedschaft unseres Landes wichtig ist – das sind 6 PP mehr als noch im Frühjahr (EU-weit: 67 %). 19 % sagen, die EU-Mitgliedschaft ist nicht wichtig (- 1 PP) (EU-weit 11 %)

Warum sind Österreicher:innen zur Wahl gegangen?

Generell waren die Hauptmotive der Österreicher:innen zur EU-Wahl zu gehen in diesem Jahr die Teuerung, die internationale Lage und Migration/Asyl.

  • 47 % nennen „steigende Preise“ (EU-27: 42 %)
  • 40 % nennen die „internationale Lage“ (EU-27: 34 %)
  • 37 % nennen „Migration und Asyl“ (EU-27: 28 %)

Österreich ist besonders hartnäckig und stark von der Teuerung betroffen. Asyl und Migration sind zudem in Österreich seit Jahren ein “Dauerbrenner”. Außerdem stellt die neue geopolitische Lage (Ukraine, Gaza-Israel) viele der alten „Gewissheiten“ (Neutralität, Frieden etc.) in Frage.

 

Viele junge Menschen glauben, dass ihre Stimme nichts ändert

Die Ergebnisse zeigen, dass in Österreich vor allem bei den jüngsten Wahlberechtigten (15- 24 Jahre) die Wahlbeteiligung am  geringsten war. 32 % haben angegeben, an der EU-Wahl teilgenommen zu haben, in der Altersgruppe 55+ sind es mehr als doppelt so viele (nämlich 69 %).

Gründe für die niedrige Wahlbeteiligung in dieser Altersgruppe:

  • 42 % aus dieser Gruppe sagen, dass sie kein Interesse an Politik haben
  • 25 % sagen, sie hätten kein Interesse an europäischen Angelegenheiten
  • 22 % meinen, dass ihre „Wahlstimme nichts ändert“

 

Die EU ist nicht greifbar

Die EU wird immer noch als „weit weg“ wahrgenommen. Vielen Jugendlichen fehlt der persönliche Bezug zur EU-Wahl, im Vergleich zu Gemeinde-, Landtags-, und Nationalratswahlen. Außerdem führt die Vielzahl an Krisen und Unsicherheit in der internationalen Sicherheitslage zum Gefühl, machtlos zu sein und nichts bewirken zu können.

Gerade die EU-kritische FPÖ konnte diese Altersgruppe gut mobilisieren (27 % der unter 34- Jährigen wählten die FPÖ bei der Nationalratswahl). Während etwa FPÖ-Parteichef Herbert Kickl auf TikTok fast 109.000 Follower zählt, sind es bei anderen Spitzenpolitiker:innen bedeutend weniger. Andreas Babler (knapp 6900), Werner Kogler (knapp 2000), Beate Meinl-Reisinger (knapp 1800). Erfolgreicher als die anderen, ist die ÖVP mit Karl Nehammer auf dieser Plattform (10.700 Follower), jedoch entspricht das immer noch nur 10% von Kickls Anhängerschaft.

Insbesondere Kanäle wie TikTok, die vor allem die jüngste Generation adressieren, werden von anderen Parteien vernachlässigt oder sind weniger erfolgreich.

Auch die vielfältigen Krisen sind an jungen Menschen nicht spurlos vorübergegangen. Dennoch hat die jüngste Altersgruppe auch das positivste Bild der EU. 50 % der unter 24-Jährigen sehen die EU positiv, 23 % negativ und 26 % neutral. Während die Wahlbeteiligung mit zunehmendem Alter steigt, sinkt die positive EU-Einstellung kontinuierlich und liegt bei den Ältesten (55+) bei nur mehr 35 % (35 % „neutral“ | 30 % „negativ“).

Was kann getan werden, damit sich EU-Einstellungen verbessern?

Wir plädieren für mehr politische Bildung und Medienkunde. Insbesondere Demokratieverständnis sollte intensiviert werden („Was kann meine Stimme bewirken?“). Neben gefördertem zivilgesellschaftlichen Engagement schlagen wir mehr faktenbasierte Diskussion über die EU vor. Häufig werden Themen polarisiert und emotionalisiert und der „Sündenbock Brüssel“ erneut „heraufbeschworen“.

Den Fokus auf Lösungen zu setzen, würde der Gesellschaft sicher helfen.

 

Brüssel als Außenfeind

Erklärungen, warum das Bild der EU in Österreich immer noch negativer als der EU-Durchschnitt ist, finden wir an verschiedenen Punkten. Einerseits ist die FPÖ eine langjährige und scharfe Kritikerin der EU. Diesen negativen Diskurs haben auch andere Parteien übernommen bzw. „die EU oder Brüssel“ je nach Anlass als „Außenfeind“ dargestellt.

Bestimmte Medienkanäle online (TikTok, Telegram etc.), aber auch Print-Medien aus dem Boulevard sind häufig EU-kritisch eingestellt bzw. fördern das Entstehen von einseitiger Wahrnehmung durch „Bubbles“. Algorithmusbezogen erhalten EU-kritische Menschen vermehrt EU-kritischen Content, der wiederum ihre Wahrnehmung bestätigt (und umgekehrt).

Andererseits unterstützt die aktuelle Themenlage die Wahrnehmung von „Dauerkrisen“, vielen Herausforderungen und kaum Lösungen. Über Österreichs Rolle in der EU wird außerdem zu wenig diskutiert. Wenn, dann wird in Diskussionen sehr häufig im negativen Zusammenhang berichtet, ohne Potentiale und positive Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten in der EU hervorzuheben.

So verstärkt das die Wahrnehmung der Machtlosigkeit und das Gefühl, dass sich nichts ändern könne.

Häufig werden Fehler und Probleme an der EU kritisiert, ohne konstruktive Lösungsvorschläge zu bringen.

 

Paul Schmidt ist zu einer Einschätzung am 03.10. im Ö1 Mittagsjournal zu hören gewesen. Wer den Beitrag versäumt hat, kann ihn hier nachhören.